q – querschnitt spezial
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q – querschnitt spezial
Vereint mit Humanis Verlag für Gesundheit GmbH • Silcherstrasse 15 • D-67591 Mölsheim • Deutsche Post AG • Entgelt bezahlt • ZKZ D 05475 • ISSN 0723-5070 28. Jahrgang 2/ 2010 editorial Schmierenjournalismus Liebe Leserin, lieber Leser, Kollegenschelte ist an sich nicht unsere Art. Nur was sich die Herren von der Illustrierten „stern“ da mal wieder geleistet haben, kann nicht unwidersprochen bleiben. PARA-Autor Ralf Kirchhoff hat bei „stern TV“ einen Beitrag gesehen, der ihm zu recht die Zornesröte ins Gesicht trieb. Da geben wir uns seit Jahrzehnten Mühe, frisch von Querschnittlähmung Betroffenen und vor allem ihren zutiefst verunsicherten Angehörigen zu vermitteln, dass sie erstens nach gewisser Zeit die Tatsache einer Behinderung akzeptieren müssen, mit der man zweitens durchaus ein erfülltes Leben haben kann. Immer wieder wurde in der Vergangenheit in besagtem Blatt die ewig gestrige Propagandalüge vom unwerten Leben hervorgekramt in Geschichten mit dem Tenor: „Ich bin vom Hals ab gelähmt, aber man lässt mich nicht sterben.“ Dieses Geseiere auf Boulevard-Niveau macht vieles zunichte, was Jahre der Rehabilitations- und Integrationsbemühungen aufgebaut haben. Diesmal zerdepperte der unbedarfte Herr Jauch anderes Geschirr. Star der Sendung war einer dieser Oberschlauen, die glauben das Glück einer inkompletten, mit modernsten Mitteln weitgehend wieder rückgängig gemachten Querschnittlähmung sei der eigene Verdienst, schließlich habe man so einen unglaublichen Willen gehabt den Rollstuhl wieder zu verlassen. Und weiter: Wer drin hocken bleibe, sei selbst schuld. Einmal ganz ohne Ironie: Wer das glaubt, hat nichts verstanden. An einer kompletten Schädigung des Rückenmarks ist nachträglich nichts zu verbessern, an manchen nicht vollständigen Verletzungen hingegen mit operativen und medikamentösen Mitteln durchaus, gerade zeitnah. Wie viel Verwirrung wird da in der Öffentlichkeit und bei den verunsicherten Angehörigen gestiftet. Sucht Euch einen anderen Quatsch für Euer nutzloses Fernsehformat – und lasst uns in Ruhe! Der gedruckte stern ist offenbar auch ein behindertenfeindliches Kampfblatt geblieben. In der diesjährigen Nr. 18 auf Seite 50 muss sich Hans-Ulrich Jörges mal wieder beweisen, dass er weiß, was in Berlin passiert. Diesmal ging es um Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble. Ich weiß, der ist in unseren Kreisen nicht beliebt, zu kühl und zu privilegiert. Aber darum geht es hier nicht. Dieser Herr Jörges lässt sich zu dem Satz hinreißen: „Ein Krüppel als Finanzminister in großer Krise?“ und nur der Zusatz „…fragen nun andere“ (Wer denn eigentlich, Sie Schreiberling?) macht eine Anzeige wegen Diskriminierung leider wenig aussichtsreich. Lassen Sie das, Herr Jörges! Wenn sich selbstbewusste Behinderte als „Krüppel“ bezeichnen ist das deren Sache. Wenn Sie das machen, wenn Sie dann auch noch Behinderung gleichsetzen mit Unzuverlässigkeit und Schwäche, grenzt das an Volksverhetzung. Nachsatz: Dass sich der 67 jährige Schäuble kurz danach von seinen gesundheitlichen Problemen gut erholt präsentierte, überraschte nicht. Dass der Ex-Oberlinke Lafontaine ihn persönlich verteidigte (damals auch Attentatsopfer), finde ich aller Ehren wert. Dass der Finanzminister die Bedenken wegen seiner Gesundheit als „legitim“ bezeichnet ist seine Sache. Dass Herr Jörges keine Ahnung hat, zeigt auch die Tatsache, dass der von ihm als Schäuble-Nachfolger ins Gespräch gebrachte Roland Koch gerade die politische Bühne verlässt. Wir werden uns vom Boulevard-Schmierenjournalismus nicht den Mut nehmen lassen. Setzen auch Sie sich mit uns über die eigene Betroffenheit hinaus für die Rechte und Bedürfnisse behinderter Menschen ein. Und – bleiben Sie uns gewogen, nur zusammen sind wir stark. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ihr P.S. Milan Kadlec von der AG „Ambulante Dienste“ benötigt für ein Internet-Projekt, in dem verschiedene Abläufe über Hilfestellungen im Alltag (Umgang mit Rollstühlen, Lagerung, Mahlzeiten zubereiten usw.) fotografisch dargestellt werden sollen die Unterstützung von behinderten Menschen. Kontakt siehe S. 65. ABOTELEFON (0 62 43) 900 704 PARAPLEGIKER 2/10 3 inhalt editorial 3 6 Schmierenjournalismus forum Christian Holz: Überflüssig Seite 12 Ulrike und Heinz Reichardt: Hauptstädtische Erfahrungen glosse 8 Dummes Zeug aus dem Flachbild-TV: Geständnis eines faulen Hundes kultur 10 48 Karikaturen von Barbara Früchtel 51 Karikaturen von Philipp Hubbe in Heidelberg Seite 16 Theater ohne Hindernisse: „Holpersteine“ kommen ins Rollen Gefesselt und geknebelt menschen 12 Gülay Acar: 16 Mathias: 20 Mit Lebensmut und Kompetenz: 24 Mit mobilem Sanitätshaus zum Kunden: „Die Behinderung gehört zu mir“ Seite 26 Nach dem Zeckenbiss im Rollstuhl? Claudia Dässel ist eine optimistische Frau Josef Dobler bericht 26 Bundesliga-Stadien: 58 Abmeldungen bei betreutem Wohnen: Zu wenig Platz für Fans im Rollstuhl Selbstständigkeit durch Zuzahlungszwang? medizin 41 Stomaträger im Internet: 42 Phantomschmerzen: 4 Selbsthilfe einmal anders Training und Medikamente PARAPLEGIKER 2/10 Seite 30 inhalt q – querschnitt spezial Seite 42 silberne Spar-Schwein: 29 Das Provision für Kürzungen?! Klinik Bergmannstrost in Halle/Saale: 30 BG Moderne Medizin im Wandel der Zeit für Darmfunktions33 Paraplegiker Studie gesucht ist eigentlich – 34 Was Der „Brindley Stimulator“? aus Patientensicht (1): 38 „Querschnitt-Tuning“ Der Brindley technik 54 Audi A5 Sportback TDI quattro mit VEIGEL-Technik Praktische Eleganz markt 46 Bauen-wohnen-renovieren: Alle Türen offen? 60 Neuer Hebelantrieb für Aktivrollstühle Gesunde Haut – wichtig bei MS Seite 48 Schwenklift hilft beim Baden 61 10. cSc capp Sport cup hilfsmittel Hybrid Elite von Etac: 57 Sitzkissen Das Beste aus zwei Welten 62 kleinanzeigen Seite 54 recht Wohnen – 63 Behindertengerechtes Berechnungsmethoden für Schadensersatzforderungen (2) Kosten für Umbauten 65 66 abo impressum Seite 58 Titelfoto: Ulli Freitag PARAPLEGIKER 2/10 5 forum Christian Holz: Ulrike und Heinz Reichardt: Überflüssig Hauptstädtische Erfahrungen Das Anliegen des Autors der Satire im Heft 1/2010 ist m. E. das Luxusproblem eines Sensibelchens. Wer mit dieser Absurdität den Bundestag beschäftigen will, also nach Gesetzen kräht, leidet einfach an einer Sonderform des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, hat vulgo Langeweile und keine Ansprache. D ass viele Äußerungen der Kommunikation eine (Sexual-) Zweitbedeutung haben, ist ja nun nichts Neues und trifft nicht nur (und schon gar nicht zu deren Diskriminierung und Sexualausbeutung (Stichwort: Williges Spiegelbild) ) die Spastis, sondern auch die Nichtis. Seit geraumer Zeit können ja auch die Nichtis nicht mehr fragen: „Wann kommen Sie denn endlich?“, ohne ein Kichern zu erzeugen und auf die Frage, wie viele Eier sie habe, müsste jede junge Frau antworten: „Schätzungsweise 500.“ Da nun aber allen klar ist, dass sich die Eierfrage an der Kasse nicht auf die Fortpflanzung der Menschen, sondern auf das per Selbstbedienung bemessene Lebensmittelquantum bezieht, lässt man halt vernünftigerweise die Sexualbedeutung beiseite, damit man die Kassiererin nicht nervt und auch keinen Stau erzeugt. Die Kassiererin stellt diese zur Beschleunigung des Ablaufs verkürzte Frage schließlich x Mal täglich. Fordern wir jetzt von den Nichtis auch noch zu prüfen, dass ihre für einen Spasti bestimmte Aussage nur ja keine (Sexual-) Zweitbedeutung enthält, können wir auch gleich wieder von vorn anfangen den Nichtis die Sorge, uns mit Fragen wie „Gehen Sie heim?“ doch sicher zu misshandeln, zu nehmen. Ich rate daher dem Autoren dieser überflüssigen Lautäußerung, sich nach tagfüllender Tätigkeit umzuschauen, dadurch konzentriert man sich nämlich sehr schnell wieder aufs Wesentliche. (Anm.d.Red.: Eigentlich darf die Satire nach Tucholsky alles. Ob sie Wesentliches behandelt ist im Einzelfall Geschmackssache. Fest steht allerdings, dass sie es nicht ernst meint. Das liegt in ihrer Natur…) 6 PARAPLEGIKER 2/10 Seit der Wende bestaunen wir vor dem Fernsehgerät das Werden und Wachsen unserer Hauptstadt Berlin. Es entstand ein Wissens- und Erlebnisdefizit. Das bezahlbare, rollstuhlgerechte Hotel mit hilfsbereitem, kompetentem Personal („Mit Mensch“) fand sich in Karlshorst. D ie heutigen Navis sind schon Zauberdinger. Ziel einprogrammieren und ab geht es. Überhaupt nix geht mehr, wenn der Fall eintreten sollte, dass am Stadtrand von Berlin das Navigationssystem plötzlich die Kommunikation verweigert und auf Bildschirmfarbe Schwarz schaltet. Die Frau am Steuer schaltet ebenso schnell von ruhiger Gelassenheit auf Sturm um. Jeder erfahrene Ehemann weiß, dass man sich in solchen Situationen dem Zentrum des Taifuns am besten nicht nähert. Schuld waren ganz sicher die Russen, Türken oder Chinesen, die so ein Pfuschgerät von ausgebeuteten indischen Kindern in der Tschechei zusammenkleben lassen. „Hosianna“ kann derjenige ausrufen, der noch einen alten Autoatlas im Wagen mitführt. Wie so oft im Leben ist eine Standortbestimmung hilfreich. „Wo sin mer denn? Straßennamen? Das gerade überquerte Gewässer kann nur die Spree gewesen sein! Frisch auf! Wo wir sind, sind wir richtig! Nach einer Wende, einem Rösselsprung mit anschließender Rochade und schon standen wir vor unserem Hotel. Die Parkplatzsuche erwähne ich nicht einmal am Rande. Zum Abendessen hatte der Herbergsvater einen Griechen empfohlen. Auf dem Rückweg sollten wir nicht versäumen, beim Italiener einen Absacker einzunehmen. Der gute Mann hatte recht. Berlin kann so schön sein. Zum Kennenlernen buchten wir für den nächsten Tag eine dreistündige Fahrt kreuz und quer durch die Metropole. Die Veranstaltung war sehr individuell. Wir waren zu dritt. Meine Gute, ich und der Reiseführerfahrer. Seit der Wende ist kolossal viel aufgebaut worden. Außer dem Reichstag liegen fast alle Großartigkeiten im Osten. Von 1977-1979 hatte ich dort in der Nähe zu tun, somit war ein Vergleich möglich. Ihr könnt hoffentlich nachvollziehen, dass meine Chauffeurin bei den Berliner Verkehrs- und Parkbedingungen keine große Lust verspürte, eine Safari um und durch die hauptstädtischen Straßenbaustellen zu veranstalten. forum Ein zum Rollstuhltransport geeignetes Taxi ließ sich auftreiben. Die Fahrt von Karlshorst ins Zentrum kostet 30 €. Also: Entweder die 60 € täglichen Transport bei der Reisekostenplanung berücksichtigen oder ein Hotel in Zentrumsnähe suchen. Positiver Höhepunkt in Programm, Qualität, Ausstattung und Service war der Friedrichstadtpalast. Endlich fanden wir das gesuchte hauptstädtische Flair. Fazit: E-Rollstuhlfahrer können bei einem Hauptstadtbesuch viele öffentliche Verkehrsmittel in ihrem derzeitigen Zustand nicht benutzen! Unsere Hauptstadt sei behindertenfreundlich. Überall fanden wir die blauen Aufkleber mit dem Rollstuhlsymbol. Dass dieses nichts weiter zu bedeuten hat, lernten wir in Bälde. Mit S-, U- und Straßenbahn käme man überall hin... Straßenbahn fällt für E- Rollifahrer ganz weg. U-Bahn fuhr nicht dahin, wo wir hinwollten, deshalb keine Aussage zur Rollitauglichkeit. Aus den S-Bahn-Plänen ist zu entnehmen, welche Strecken und Bahnhöfe für Rollstühle geeignet sein sollen. Sollen! Ein funktionierender Aufzug ist Grundvoraussetzung. Es stellte sich heraus, dass hauptstädtische Bahnhoflifte offenbar das Hauptziel ansässiger Vandalen sind. Im System des Zu- und Umsteigens zur Zielerreichung sind zwei zerstörte Fahrstühle der Supergau. Beispiel: die Anschluss- S-Bahn fährt vom Nachbarbahnsteig. Eigentlich ganz einfach: Runter – rüber – hoch. Dazu braucht es zwei Fahrstühle. Sollte das wie erlebt nicht möglich sein, fährt man seiner S-Bahn entgegen bis zu einem Bahnhof mit intakten Liftanlagen. Sollte das in praxi nicht möglich sein, dann hilft nur, sich ein ganz anderes Ziel herauszusuchen. Es muss ja nicht unbedingt das KaDeWe sein. Die Hackeschen Märkte sollen auch ganz schön sein. Leider waren bei der herrschenden Nieselregen-Wetterlage keine ausgedehnten Rollstuhlkilometer möglich. Weiter zur S-Bahn! Die Toleranz beim Übergang Bahnsteigkante zu Waggonboden kann unmöglich im Zentimeterbereich gemessen worden sein. 0,3 m müssen in der Horizontalen überwunden werden. 0,2 m in der Vertikalen, nach oben wie nach unten stellen für einen austrainierten, einheimischen S-Bahn-Sportler kein unüberwindliches Hindernis dar. Elektrorollstühle brauchen dazu mindestens drei Helfer!! Wen Horrorszenarien nicht abschrecken, der braucht sich nur vorzustellen, was abgeht, wenn versucht wird, einen Elektrorollstuhl in ein schon völlig überfülltes Abteil zu bugsieren. Zusammenfassung: Auch die S-Bahn ist für Elektrorollstühle nicht benutzbar! Immer wieder kommt es vor, dass uns die Post den »Paraplegiker« mit dem Vermerk “unzustellbar“ zurücksendet. Dann beginnen für uns zeit- und arbeitsaufwendige, vor allem auch kostenintensive Nachforschungen, die nicht selten als ergebnislos eingestellt werden müssen. Darum bitten wir Sie: dem Humanis Verlag Ihre neue- und alte Anschrift mitzuteilen. Bei Abo-Abbuchungen bitte auch die Änderungen der Bankdaten mitteilen. Vielen Dank – Ihr Humanis Verlag Anzeige Wir machen Sie mobil Grüter + Gut Motorradtechnik GmbH Hochdorfstrasse 9 CH-6275 Ballwil info@gg-technik.ch http: / /www.gg-technik.ch glosse Dummes Zeug aus dem Flachbild-TV: Geständnis eines faulen Hundes Die Redaktion warnt: Der folgende Beitrag ist ironisch gemeint, das heißt unser Autor macht sich lustig über das saudumme Geschwätz, das ihm aus dem Fernsehkasten entgegen plärrte. In Wirklichkeit ist das ein trauriger Vorgang, schließlich werden durch derart fragwürdige Beiträge zu einem sensiblen Thema wieder einmal große Schäden angerichtet, hier vor allem bei den oft verzweifelten Angehörigen von frisch Querschnittgelähmten. Sich über Schmierenjournalismus ernsthaft aufzuregen bringt aber nichts. Verzeihen Sie uns also unseren Sarkasmus… Ja, ich gestehe: Ich war ein fauler Hund. Ich habe aus meinen Möglichkeiten nichts gemacht. Dabei hatte ich so viel Potential. Ich bin sensibel inkomplett. Das bedeutet, dass mein Rückenmark nicht vollständig durch den Fleischwolf gedreht war, als ich in der Querschnittklinik aufgewacht bin. Dass da mehr gelaufen wäre, hätte ich mir vor 30 Jahren nur einfach mehr Mühe gegeben – ja, das habe ich erst jetzt bei „stern TV“ erfahren. Bei Günther Jauch saß nämlich die geballte Kompetenz der „Bergeversetzer“. Zum einen der inkomplette Ex-Journalist, der inzwischen Weinberge hochläuft, um seinem Ziel, einen Dreitausender zu besteigen, näher zu kommen. Hauptmessage: Man muss den Rollstuhl nur hassen, man darf sich nicht damit abfinden sitzen zu bleiben. Vielleicht war das mein Fehler. Ich mochte meinen Rollstuhl, einen Sopur Ideal 1. Ich machte trotz sechs Monate Schulpause mein Abi ohne sitzen zu bleiben. Die Welt stand mir offen. Ich konnte studieren und hatte meine erste Freundin. Wie konnte ich mich nur so gehen lassen mit diesem profanen Zeittotschlagen. gegenüber dem Studiovorbild. Nach einem Jahr Schinderei fragte ich mal nach, wann ich denn mal Laufübungen machen könnte im Gehbarren, um mich vorzubereiten auf das Gehen mit Schienenhülsenapparaten. „Wie willst du denn die Gehstützen mit deinen Tetrahänden festhalten?“ war die niederschmetternde Gegenfrage, und wie das funktionieren sollte ohne Bauch und Rückenmuskulatur? Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass das die billigen Ausreden eines unengagierten QuerschnittFachidioten waren! Der wahre Experte saß nun hier bei stern TV. Ein Sportarzt, kein Rückenmarksexperte. Er erklärte Günther Jauch die Chancen und Möglichkeiten inkompletter Querschnitte. Ach so, in ein Sportzentrum hätte ich damals gehört. Nicht zu den durch die tägliche Praxis desillusionierten Fachleuten. Hochmotivierte Fachidioten hätten alles aus mir rausgekitzelt. Gut, da hätte mir keiner erklären können wie man als Gelähmter seinen Rollstuhl ins Auto verlädt. Aber wozu auch wenn man am Ende keinen braucht. Aus eigener Kraft gesprungen Schinderhannes Nicht so der engagierte Studiogast. Er übte jeden Tag mehrere Stunden. Er fährt dreimal im Jahr mehrere Wochen zur Kur. Einmal zahlt die Krankenkasse nur, aber was zählt schon Geld. Zumindest das habe ich mit ihm gemeinsam. Auch ich übte jeden Tag mit meinem privat bezahlten „Schinderhannes“. Fünf Jahre lang, aber mit welch mickrigem Erfolg 8 PARAPLEGIKER 2/10 Die Jauch-Studiotür geht auf. Herein kommt ein weiterer inkompletter Querschnitt. Ich hätte mir „Eye of the Tiger“ gewünscht, um die sportliche Leistung dieses Mannes zu inszenieren. Gestützt auf einen Rollator und ein Schienenhülsenteil einbeinig, hinkte er zu seinem Sitzmöbel. Eine kurze Werbepause hätte der Sendung hier gut getan, denn der Weg bis zum Sessel ist lang und die Geschwindigkeit nicht glosse groß. Endlich lässt er sich in die Jauch-Sitzgruppe fallen. Blitzschnell rollt der Moderator den Rollator aus dem Blickfeld. Wahrscheinlich muss man auch seinen Rollator hassen, um wirklichen Willen zu entwickeln. 350 Meter schafft er schon ohne Pause. Großer Applaus. Das will er demnächst auch ohne Rollator, nur mit Gehstützen erreichen. Ich desillusionierter Krüppel überlege, dass das fast schon reicht, um bei mir bis zum Kiosk zu kommen. Nur wie will er das Bier transportieren. Und wo verstaut er das Leergut? Ein Rucksack vielleicht? Oder ein Umhängefass wie beim Bernhardiner Rettungshund für in Bergnot geratene? Bei meinem ersten Kuraufenthalt in einer renommierten Reha-Querschnittklinik gab es eine strenge Hierarchie. Da gab es einen, der nur mit dem Kopf wackeln konnte. Er beneidete den, der noch die Arme schlenkern konnte. Der mit den schlenkernden Armen beneidete den, der die Finger ein bisschen bewegen konnte. Dieser wiederum beneidete den ganz normalen Para. Am Ende der Neidkette stand der König der Klinik. Einer, der auf zwei Gehstützen lief. Recht flott sogar. Ein Italiener, glaube ich. Er ackerte wie blöde. Jeden Tag, morgens und abends. Wir hätten alle gerne mit ihm getauscht. Eines Morgens waren alle Ausgänge ins hintere Klinikgelände gesperrt. Der Italiener hatte es geschafft. Er war ganz oben auf dem Dach, aus eigener Kraft, über das hohe Geländer geklettert. Hatte ohne Rollstuhl die restlichen Meter geschafft und war gesprungen. Wahrscheinlich hatte er sogar die Gehstützen gehasst… Text: Ralf Kirchhoff Anzeige BEHINDERTENGERECHTE FAHRZEUGUMBAUTEN For a perfect mobility worldwide www.paravan.de Willkommen im neuen PARAVAN Mobilitätspark • Für jeden Behinderungsgrad das Richtige • Für Selbstfahrer und Beifahrer im Rollstuhl • Lösungen für alle Fahrzeugtypen • Deutschlandweites Beraternetz • Individuelle Lösungen • Vielfach ausgezeichnete Innovationen Tel: 0 7 3 8 8 - 9 9 9 5 9 1 PARAVAN - grenzenlose Mobilität, hautnahe Anpassungen PARAVAN® GmbH . Paravan-Straße 5-10 . 72539 Pfronstetten-Aichelau . Telefon +49 (0)7388 9995 91 . info@paravan.de PARAVAN GmbH . 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Coloplast GmbH Postfach 70 03 40 22003 Hamburg Fax 040 669807-48 Service-Telefon 0800 780 9000 beratungsservice@coloplast.com www.mein.coloplast.de Herr* Frau* Geburtstag Vorname* Nachname* Straße, Nr.* PLZ/Ort* Telefon* E-Mail / / @ Ort, Datum* Unterschrift* PAI_Para_0610 Absender Mit meiner Unterschrift erkläre ich, dass meine vorstehend gemachten Angaben von der Coloplast GmbH gespeichert, verarbeitet und genutzt werden dürfen, um mich per Post, Email und/oder Telefon an allgemein auf meine Erkrankung und Versorgung bezogenen Informationen sowie an ColoplastAngeboten und -Marktforschungsbefragungen teilhaben zu lassen und zu Werbezwecken über ColoplastProdukte und -Dienstleistungen zu informieren. Mein Einverständnis bezieht sich ausdrücklich auch auf die Angaben zu meinen gesundheitlichen Verhältnissen. Ich erhalte die angefragten Materialien auch dann, wenn ich diese Erklärung nicht unterschreibe. Mir ist bewusst, dass ich mein Einverständnis künftig jederzeit ganz oder teilweise durch eine an die Coloplast GmbH, Kuehnstraße 75 in 22045 Hamburg zu richtende Erklärung widerrufen kann. * erforderliche Angaben Mehr erfahren zum Produkt! Bitte schicken Sie mir kostenloses Infomaterial zu Peristeen Anale Irrigation. Einfach hier ausfüllen, ausschneiden und abschicken an: Coloplast GmbH, Postfach 70 03 40, 22003 Hamburg menschen Gülay Acar: „Die Behinderung gehört zu mir“ D ie 38-Jährige türkische Psychologin Gülay Acar sitzt im Schneidersitz in ihrem Rollstuhl. Ihre Arme sind an den Armlehnen festgebunden, damit sie nicht unkontrolliert in irgendeine Richtung schießen. Anna, ihre Assistentin, reicht ihr den Milchkaffee, von dem sie ein paar Schlucke mit dem Strohhalm trinkt. Dann erzählt sie: von ihrer Kindheit in einer türkischen Familie mit traditionellen Wertvorstellungen, von ihrer schwierigen schulischen und beruflichen Entwicklung und von ihrem ständigen Kampf um Akzeptanz. Wenn sie redet, kann man sich ihr kaum entziehen. Ist es ihre Offenheit, ihre Direktheit, die Dinge beim Namen zu nennen? Ihre freundliche Art, anderen mit Respekt zu begegnen? Oder ist es die Kraft, die aus ihrer Stimme spricht, auch wenn diese mitunter durch die Spasmen, die ihren Körper schütteln, an Volumen verliert? 12 PARAPLEGIKER 2/10 Gülay wird mit einer Infantilen Cerebralparese in der Türkei geboren. Mit sechs Monaten holt der Vater, der Gastarbeiter in Deutschland ist, die Familie – seine Frau, seine zwei Töchter und seinen Sohn – nach Essen. Hier wird Gülay in der Hoffnung auf Heilung von einem Wunderheiler zum anderen gebracht. Doch Heilung gibt es nicht. „Der Gedanke der Schuld wurde zu Hause immer wieder thematisiert. Meine Eltern waren davon überzeugt, dass Behinderung etwas Schlechtes, eine Art göttliche Bestrafung sei. Als Kind habe ich mit dieser Sichtweise gehadert und es hat meine Entwicklung gebremst“, erklärt Gülay, warum es so schwierig war, ein eigenes Selbstbewusstsein aufzubauen. Am meisten habe es sie verletzt, dass die Heiler behauptet hätten, dass sie auch nichts ausrichten könnten, wenn das Kind nicht an Heilung glaube. Als sie in die Pubertät kommt, rät sie ihren Eltern: „Spart euch das Geld.“ Das Mädchen wird bis zur 10. Klasse als lernbehindert eingestuft und besucht die Sonderschule in Essen. Hier lernt sie vor allem zusammen mit geistig- und lernbehinderten Kindern, erhält keine spezielle Förderung – weder in Mathematik, Deutsch noch Englisch. Sie macht zunächst den qualifizierten menschen Hauptschulabschluss. Doch ihre nur ein Jahr ältere Schwester bestärkt sie immer wieder: „Gülay, du bist nicht lernbehindert.“ Zu Hause lernt sie den Stoff, den ihre Schwester an der Realschule vermittelt bekommt, sie begreift schnell und hat großen Spaß daran. Und sie weiß: Sie will nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung landen. einem 24-Stunden-Rhythmus: Körperpflege, Einkaufen, Essen zubereiten. Nur durch diese Assistenz ist es ihr möglich, in einer eigenen Wohnung zu leben. Auch beim Studium und in der Arbeit benötigt sie Unterstützung: zum Beispiel beim Schreiben auf dem Computer. So stellt sie beim Kultusministerium einen Antrag auf Weiterbeschulung. Die Lehrer an der Sonderschule raten ihr ab: „Gülay, das schaffst du nicht!“ Doch Gülay lässt sich nicht beirren. Um ihre Kenntnisse zu verbessern, besucht sie aus eigenem Antrieb heraus dreimal in der Woche die Volkshochschule. Das ist äußerst anstrengend und ohne die Schwester, die sie immer begleitet, gar nicht möglich. Sie holt an einer Kölner Realschule die Mittlere Reife nach – allerdings erst im dritten Anlauf, denn sie hat in den ganzen Schuljahren zu viel versäumt, um sofort die Qualifikation für die Oberstufe zu bekommen. Doch es gelingt ihr. Das Abitur schafft sie gleich im ersten Versuch. 2004 wird sie mit ihrem Studium fertig. Doch ihre Behinderung erweist sich als großes Problem bei dem Versuch eine Stelle zu bekommen. Für viele scheint es nicht vorstellbar zu sein, dass in einem Körper mit einer deutlich sichtbaren Behinderung ein intelligenter Geist stecken kann. Niemand traut ihr wirklich zu als Psychologin arbeiten zu können. Um sich dennoch praktische Erfahrungen anzueignen, arbeitet sie ehrenamtlich sowohl in Vereinen als auch an einer Integrativen Gesamtschule als psychologische Beraterin. Gülay ist inzwischen schon 26 und beginnt sofort mit dem Psychologiestudium. Sie will einen Beruf, in dem man viel zuhören und reden kann, in dem man möglichst nicht schreiben muss. All diese praktischen Dinge, die sie selbst nicht ausführen kann, erledigen ihre sieben Assistentinnen abwechselnd in 2008 endlich bekommt sie die Möglichkeit, ein Praktikum in einem Krankenhaus zu absolvieren. Aber wenn es darum geht, die Praktikumsstelle in eine feste Stelle umzuwandeln, steht immer die Frage im Vordergrund, wie wohl die Patienten auf ihre schwere Behinderung reagieren. Ob man sie als Psychologin Bildungsweg mit Barrieren 2004 wird sie mit ihrem Studium fertig. Doch ihre Behinderung erweist sich als großes Problem bei dem Versuch eine Stelle zu bekommen. Anzeige !! "" ! ! ! ! !# # % &""# """" menschen akzeptiert. Das Glück kommt ihr ein wenig zu Hilfe. Ein Therapeut wird krank und Gülay muss ihn vertreten. „Mein Chef hat schnell gemerkt, dass die Patienten sich bei mir aufgehoben fühlen.“ Erfahrungsschatz Sie bekommt eine halbe feste Stelle. Ihr wird die Leitung einer Depressionsgruppe übertragen, in der die Patienten lernen sollen, bewusster und selbstsicherer durchs Leben zu gehen. „Ich versuche, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen meinen Erfahrungsschatz nahe zu bringen, wie man mit einer Behinderung lebt. Man kann nicht die Gesellschaft ändern, sondern nur seine eigene Sichtweise. Man muss versuchen, dazuzugehören und den anderen die Angst vor dem Anderssein zu nehmen.“ Dass das für sie selbst nicht immer einfach ist und enorm viel Kraft erfordert, verschweigt Anzeige RL-50 Deckenlift mit Rollstuhlaufhängung sie nicht. „Ich bin nicht immer selbstbewusst. Manchmal bin ich traurig. Ich weiß aber inzwischen ziemlich genau, wer ich bin. Ich merke, ich muss viel über meine Grenzen gehen, Stärke zeigen, um anerkannt zu werden.“ Dabei gibt es immer wieder Situationen, in denen sie auf Ablehnung stößt. „Das sind Momente, in denen ich mich nicht ernst genommen fühle, in denen man mir nichts zutraut. Wenn man zum Beispiel über meine Assistentinnen kommuniziert anstatt direkt mit mir. Im Privaten lass ich das inzwischen mitunter so stehen, ich bin dann einfach zu erschöpft. Im Arbeitsleben aber weise ich immer darauf hin, dass ICH die Psychologin bin.“ Der Erstkontakt mit den Patienten, so berichtet sie, sei natürlich sehr unterschiedlich, manchmal verkrampft, manchmal aber auch locker. Auffallend sei, dass gerade türkische männliche Patienten mitunter total verblüfft seien, einer Psychologin mit einer Behinderung gegenüber zu sitzen, die Türkin sei und – hier in Deutschland - sogar Türkisch spreche. „Sie geben mir mitunter das Gefühl, dass sie mich nicht ernst nehmen. Aber dass ich die Sprache sprechen und verstehen kann, ist eine enorme Hilfe in der Behandlung – und das wissen eben auch die Ärzte in der Klinik.“ Deutsche Patienten würden sich hingegen mitunter schämen, weil sie merken, „dass ich eine Krankheit habe, die ihnen viel dramatischer erscheint. Sie fragen sich dann, warum sie ihre Probleme nicht bewältigen können – sie hätten doch NUR eine psychische Erkrankung. Aber das kann man nicht vergleichen. Diesen Patienten muss ich den Druck nehmen.“ Bundesweiter Vertrieb und Service: 02 34 – 91 600 50 Dank der speziell entwickelten Fahrschiene bleibt ihre Treppe in ganzer Breite frei. Der Einbau kann in Mehrfamilienhäusern, engen Treppenhäusern, über mehrere Etagen erfolgen. Haltestellen sind frei wählbar. Die Bedienung erfolgt auch bei eingeschränkter Mobilität durch den Benutzer oder Begleitperson. Fernsteuerbar ohne Kabelmontage. HÖGG Liftsysteme Hattinger Straße 712 a 44879 Bochum sales@hoegglift.de www.hoegglift.de „Einmal“, so erzählt die Diplom-Psychologin, „meinte eine Patientin, ich hätte doch wohl selbst so viel mit meiner Behinderung zu tun, da könnte ich mir doch nicht noch ihre Behinderung antun. Mein Chef hat zu ihr gesagt: „Dann müssen Sie eben so lange warten, bis ein anderer Therapeut frei wird.“ Gülay ist sehr froh darüber, dass ihr Chef inzwischen weiß, dass sie sich sehr flexibel auf Gruppen und einzelne Patienten einlassen kann. Die Arbeit ist hart, manchmal hat Gülay danach das Gefühl, ausgesaugt worden zu sein. Dann möchte sie sich nur noch zurückziehen, nichts mehr erklären müssen. Da sie nicht immer nur „geben“ kann, sondern selbst Kraft tanken muss, ist es ihr wichtig, über ihre Gefühle sprechen zu können, über ihre Müdigkeit, ihre Ausgelaugtheit. „Ein Arbeitskollege zum Beispiel, ein Psychologe, akzeptiert mich voll und ganz, so wie ich bin – auch als Frau. Wir reden viel zusammen. Das ist wie eine kleine Supervision unter Kollegen. Er sagt mir oft, ich solle auf mich selbst aufpassen.“ Anzeige Akzeptiert werden , $ " #% #! "" "'"+ "!"" #!!""""!" )&#!"!!"!# ! " - #!."("$ "(# ##*% #" "" #! . ! # !"" ! #"" !'!"!""'"+ "!"" #!!"""" „Denn mit einer Behinderung ist es problematisch, als Frau akzeptiert zu werden“, betont Gülay. Besonders schmerzt es die sympathische, allein lebende Frau, dass sie von ihren Eltern nicht als Ganzes angenommen worden ist. Vor allem ihre Mutter habe sie zwar bei all ihren beruflichen Plänen und ihrem Streben nach Selbstständigkeit unterstützt. Aber den Wunsch ihrer Tochter, so zu leben wie jede andere Frau auch, kann sie nicht wirklich nachvollziehen. „Diese Ängste und Sorgen und das Handeln meiner Mutter haben mich jahrelang gehemmt und verbittert. Sie kann nicht verstehen, dass ich trotz dieser starken Behinderung ein glückliches und selbstbestimmtes Leben führen will.“ Gülay gesteht, dass es sie enorm viel Kraft gekostet hat, um sich selbst zu akzeptieren. Inzwischen fühlt sie sich dennoch erleichtert. Nicht nur, weil im Oktober 2009 ihre befristete Stelle im Krankenhaus tatsächlich in eine unbefristete umgewandelt wurde. „Ich habe begriffen, dass die Behinderung zu mir gehört, ich kann sie nicht wegmachen.“ Wichtig seien in diesem Prozess die vielen Gespräche mit einer Freundin gewesen, die viele ähnliche Probleme habe, obwohl sie nicht behindert ist. „Es hilft, die Dinge einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten. Das Problem, nicht genügen zu können, haben viele Menschen, und zwar unabhängig von einer Behinderung.“ Text & Foto: Ulrike Talmann &#,# $!!$ %!$!!!-! "$$* %!$# ) ##'(" #'#+ ! $# "$ "# "$"#!!# $#! .!! ō $ # ō " ō !!! menschen Mathias: Seit zwölf Jahren sitzt Mathias im Rollstuhl. Hat er eine psychogene Lähmung? Eine Borreliose? Liegt es an Komplikationen nach einer Rückenmarkspunktion? Mathias zuckt mit den Schultern, er weiß es wirklich nicht. V or über zehn Jahren hatte er tatsächlich einmal einen Zeckenbiss. Und irgendwann danach hatte er eine große rote Stelle auf seiner Haut wahrgenommen. Eine Zeitlang später bekam er Fieber, Gesichtsfeldausfälle und er nahm plötzlich 30 kg ab. Alles eine Folge des Zeckenbisses? Möglich. Um mehr herauszufinden, wurde das Rückenmark punktiert, eine so genannte Lumbalpunktion durchgeführt. Wäh- Mathias. 16 PARAPLEGIKER 2/10 rend die Spritze in seinen Rücken gestochen wurde, hatte er plötzlich das Gefühl, ein Nerv zwischen Wirbelsäule und Füßen würde wie eine Gitarrensaite vibrieren. Danach reißt sein Film ab. Als Mathias wieder klar denken kann, hat er kein Gefühl mehr in den Beinen, kann nicht mehr laufen und fällt in ein tiefes Loch. „Zwei Jahre lang bin ich so gut wie gar nicht aus dem Haus gegangen“, beschreibt er still, „und auch heute weiß ich oft nicht, warum ich lebe.“ Die Ärzte spielen für den Fortgang der Handlung offenbar keine positive Rolle, jedenfalls nicht in Mathias’ Erinnerung. Ein Labor-Ergebnis der Rückenmarkspunktion kennt er nicht, das Nervenwasser soll irgendwie abhanden gekommen sein. Vor einer erneuten Punktion hat er verständlicherweise panische Angst. Er soll lernen, die Behinderung zu akzeptieren, bekommt Psychopharmaka und Gesprächsangebote. Andererseits gehört es nicht zu seinen Stärken, sich konsequent um Diagnostik und Therapie zu kümmern. Einmal hat er einen Versuch gemacht. Damals wohnte er noch in Potsdam, wo er aufgewachsen war. In Hildesheim fand eine junge Potsdamer Ärztin einen Borreliose-Spezialisten, der eine Intensivtherapie mit ihm machen wollte. Mehrmals war Mathias zur Behandlung dort, dann verweigerte die Krankenkasse weitere Zahlungen, weil die Praxis so weit entfernt lag. Kurz entschlossen zog er nach Hildesheim um und ließ sich weiter behandeln. Aber die Therapie konnte weder die Lähmung beseitigen noch zweifelsfrei die Ursache klären. Psychogene Lähmung? Borreliose? Komplikation nach Lumbalpunktion? Kann eine Lumbalpunktion überhaupt eine Querschnittlähmung auslösen? „So etwas kann natürlich passieren“, erklärt der Berliner Schmerzspezialist Dr. Jan-Peter Jansen, „das ist zwar extrem selten, aber auf alle Fälle denkbar“. Mathias zuckt mit den Schultern. menschen Endlich ein Lächeln Nach Nordstrand hat es ihn wegen des neuen Jobs seiner Freundin verschlagen. Die Insel wäre gut geeignet für Touren mit dem Handbike. Aber das ist leider nicht mehr drin. Erstens kann er sich kein Handbike leisten: die finanzielle Situation ist eng, wenn man vom Einkommen der Freundin plus 200 EURO Grundsicherung leben muss. Zweitens hat er ein ImpingementSyndrom entwickelt, eine schmerzhafte Überlastungsreaktion im Schultergelenk. Also dreht er seine Runden mit dem 6 km/h-langsamen Elektrorollstuhl. Immerhin hat er hier auf der Insel einen Hausarzt gefunden, der sich noch einmal auf die Suche nach der Ursache für die Lähmung machen will. „Wenn ich weiß, was eigentlich mit mir los ist, kann ich endlich wieder anfangen, mir etwas vorzunehmen“, sagt er und lächelt endlich mal. Er verrät, dass er eines Tages Kinder haben möchte – und strahlt. Borreliose – harmlos oder ernst? Dr. med. Carsten Nicolaus vom Borreliose Centrum Augsburg erklärt es so: „Wenn es um Borreliose geht, gibt es zwei Sorten von Ärzten. Die größere Gruppe hält eine Borrelien-Infektion für eine Bagatellerkrankung, die leicht zu diagnostizieren und zu behandeln ist. Ich selbst gehöre zur Minderheit. Ich halte die Erkrankung auf Grund meiner Erfahrungen aus Klinik und Praxis häufig für bedrohlich und sehr ernst.“ Dr. Nicolaus berichtet von schweren Krankheitsverläufen, die jedes Organsystem betreffen können. Er erzählt aber auch sehr offen von unnötig langen Krankengeschichten. Ein typischer Leidensweg kann so aussehen: Der Patient bemerkt weder Zeckenbiss noch Wanderröte, sondern sucht den Hausarzt beispielsweise wegen einem schmerzenden, geschwollenen Kniegelenk auf. Die ersten Tests ergeben keine Auffälligkeiten, der Patient ruht sich eine Zeitlang aus und fühlt sich trotzdem krank. Als nächste Stufe wird ein Orthopäde eingeschaltet. Dieser stellt vielleicht Verschleißerscheinungen im Kniegelenk fest und hält diese für die Ursache der Beschwerden. Der Patient hat weiter Beschwerden, vielleicht fühlt er sich sogar zusätzlich müde oder psychisch labil. Wie bei einem Pingpongspiel wird er von Arzt zu Arzt geschickt, bis er beginnt, an sich oder an den Ärzten zu zweifeln. Der nächste Schritt ist leider häufig der Verdacht, dass seine Schmerzen psychosomatisch bedingt sind. „Wenn ich weiß, was eigentlich mit mir los ist, kann ich endlich wieder anfangen, mir etwas vorzunehmen“... Die Patienten, die in die Augsburger BorreliosePraxis kommen, können häufig seit Monaten oder Jahren nicht mehr arbeiten. Ihre Beschwerden sind vielfältig, Dr. Nicolaus spricht von Anzeige 0 % rei 10 eref rri ba Bad Herrenalb · Schwarzwald Ihr neues Urlaubshotel im Naturparadies Nordschwarzwald 2 x Übernachtungen im DZ 2 x reichhaltiges Frühstücksbuffet 2 x 3 - Gang Gourmet - Menü Kurpromenade 23/1 76332 Bad Herrenalb Informationen & Zimmerreservierung Telefon: 07083 / 5002-0 Telefax: 07083 / 5002-299 mail: info@hotelak.de · www.hotelak.de Freier Eintritt in die Wellness Welt der Siebentäler Therme inkl. 3 ausgewählte Anwendungen! € 195,Genießertage Angebot: Im DZ pro Person, inkl. Vitalhalbpension EZ plus € 10,- pro Tag, Gültig bis zum 15.07.10 61 Zimmer, davon 34 Appartements, alle rollstuhlgerecht und mit Notrufsystem, auf Wunsch mit Pflegebett ausgestattet Alle Zimmer mit LAN/DSL Service: Bei Bedarf kann der im Haus ansässige Pfegedienst beauftragt werden. Sauna, Wellness-Wanne und Pflegebad Restaurant / Wintergarten menschen Nordstrand einem Katalog, der 150 bis 180 verschiedene Beschwerden umfasst. Viele seiner Patienten haben von anderen Ärzten schon Diagnosen wie Multiple Sklerose, Chronic-Fatigue-Syndrom oder Arthrose bekommen. Manche sitzen im Rollstuhl, andere haben ständig Schmerzen. Bei vielen ist die Borreliose chronisch geworden. „Diese Menschen durchleben ein echtes Martyrium“, berichtet Nicolaus, „denn sie haben nicht nur körperliche oder mentale Beschwerden, sondern leiden auch daran, dass sie keine zuverlässige Diagnose erhalten oder ihre Erkrankung nicht ernst genommen wird“. Aber selbst bei Patienten, die schon vor Jahren infiziert wurden, sieht er oft noch Besserungen. Kern der Behandlung ist eine langfristige Antibiotikagabe. 18 PARAPLEGIKER 2/10 Am besten lässt sich die Infektion seiner Erfahrung nach frühzeitig behandeln. Aber selbst bei Patienten, die schon vor Jahren infiziert wurden, sieht er oft noch Besserungen. Kern der Behandlung ist eine langfristige Antibiotikagabe. Weitere Maßnahmen sind oft eine Schmerztherapie, eine Behandlung depressiver Verstimmungen oder Physiotherapie. Außerdem brauchen fast alle Borreliose-Patienten Nahrungsergänzungsmittel, um die durch die lange Krankheit entstandenen Defizite an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wieder aufzufüllen. Allerdings kostet die Behandlung bei Dr. Nicolaus Geld, er hat eine Privatpraxis. Seine Kassenzulassung hat er vor ein paar Jahren zurückgegeben, als er immer mehr von Regressen bedroht war. Um diese Fakten zu verstehen, muss man wissen, dass Kassenärzte zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise verpflichtet sind. Als unwirtschaftlich gilt, wer mehr Medikamente verschreibt als der Durchschnittsarzt. Solchen Ärzten wird ein Regress angedroht: die Zahlung der überdurchschnittlich hohen Kosten für die Medikamente seiner Patienten. Wer Borreliose-Patienten mit Langzeitantibiotika behandelt, der verursacht der Krankenversicherung höhere Kosten als seine Kollegen. Einige Ärzte, die sich auf Zeckenkrankheiten spezialisiert hatten, stehen oder standen deshalb vor der Pleite. „In dieser Situation konnte ich mich nur entscheiden, entweder keine BorrelioseKranken mehr zu behandeln oder sie nicht so zu behandeln, wie ich es richtig finde. Oder eine Privatpraxis zu eröffnen“, erklärt Dr. Nicolaus. Immerhin übernehmen die Krankenkassen dann doch bei jedem dritten Kassenpatienten die Behandlungskosten. Der Arzt legt Wert darauf, dass nicht in jedem Fall Hoffnung auf Heilung gemacht werden kann. Ihm geht es eher darum, dass die Borrelien-Infektionen endlich ernst genommen werden. „Ich hatte noch nie eine Zecke“ Es gibt leider oft Zeckenbisse, die unbemerkt ablaufen: Man streift die Zecke beim Vorbeigehen oder –rollen von Grashalmen oder Büschen ab. Das muss nicht im Unterholz sein, auch im Garten oder Park gibt es Zecken. Auf der Außenseite der Hose wird die Zecke nach Hause getragen, sodass sie beim abendlichen oder morgendlichen Duschen nicht gefunden wird. Die genügsamen Tiere überleben lange auf der Hose, wo ihr Geruchssinn sie in Richtung Schrittbereich treibt, ins Innere der Hose also. Beim nächsten Anziehen der Hose sticht sie zu. Auch das bleibt oft unbemerkt, da Zecken vor dem Saugen Speichell in i die ie Wunde drücken, der eine betäubende Substanz ub ubst bs nz enthält. Die gebs sättigte Zecke lässt sich im m La LLauf auf uf des Tages vom Wirt fallen – beim ab abendlichen Duschen ist keib hen D he ne Zecke Zeckenstich bleibt unkee mehr da, a, der d deer Z Zec Zecke eck cckkke ken en nst nstich tich b entdeckt. Text & Fotos: os: s: Ruth Auschra Erholsamer Urlaub im grünen Herzen Österreichs? Kein Problem! Ein Haus in der Weinbergsiedlung für Freunde der Natur Ferienhaus für 4 Personen rollstuhl- und familienfreundlich Rolli-Komf. in Bad und Wohnräumen Sat-TV, Carport gig ü z ß o r G u hma c s e g nd ck ar Steierm Kontakt: Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten Silcherstraße 15 67591 Mölsheim Tel.: 06243 - 52 56 E-Mail: FGQ-Moelsheim@T-Online.de Internet: www.FGQ.de k en n h o w l vol Rol r ü f h c au ... lis menschen Mit Lebensmut und Kompetenz: Claudia Dässel ist eine optimistische Frau Claudia Dässel hat eine ausgesprochen positive Ausstrahlung, dazu passt der überzeugende Optimismus der Rollstuhlfahrerin. Selbstverständlich ist das sicher nicht, denn die junge Frau hat schon allerhand Unangenehmes und Schmerzhaftes erlebt. Überzeugend positiv: Claudia Dässel. benstraße erfasst und schwer verletzt worden, Folge war unter anderem eine Querschnittlähmung im Lendenwirbelbereich. Dr. Oliver Meier, Chefarzt der Skoliose in der WWK, der mit seinem hochqualifizierten und spezialisierten Team die etwa sechsstündige OP durchgeführt hat: „Was wir dort vorgefunden haben, sehe ich glücklicherweise eher selten. Da ist zum Beispiel aus Gründen, die ich nicht verstehe, ein nicht zu definierender Fremdknochen eingesetzt worden, und eine abgebrochene Schraube haben wir auch entfernt. Offensichtlich ist eine Metall-Stabilisierung entfernt worden, worauf die abgebrochene Schraube hinweist.“ Chefarzt Dr. Oliver Meier von der WernerWicker-Klinik in Bad Wildungen-Reinhardshausen. Z ur Zeit lebt Claudia Dässel im sehr schönen Einfamilienhaus ihrer Eltern in Niederkrüchten an der niederländischen Grenze. Dies deshalb, weil im Januar eine sehr aufwändige Operation in der Werner-Wicker-Klinik (WWK) in Bad Wildungen-Reinhardshausen durchgeführt worden ist. Notwendig war diese OP wegen jahrelanger und oft extrem starker Rückenschmerzen, bedingt durch Probleme nach einem Unfall 1995 und der danach offensichtlich schlecht durchgeführten OP mit unqualifizierter Nachbehandlung. Bei dem Unfall war die damals 15jährige von einer Autofahrerin auf einer ländlichen Ne- 20 PARAPLEGIKER 2/10 Nach der OP in der WWK hatte Claudia Dässel dann keine Schmerzen mehr, ist aber durch wechselseitiges Tragen von Mieder und Korsett – welche in der Reha nach dem Unfall gar nicht verordnet worden waren – noch voraussichtlich mehrere Monate in ihrer Mobilität stark eingeschränkt und deshalb jetzt besonders auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Unverständlich ist, dass es von der Versicherung der Unfall-Verursacherin lediglich eine eher geringe einmalige Abfindung gab. Dies deshalb, weil die Schuldfrage seinerzeit vom Gericht nicht eindeutig geklärt werden konnte. Daraus ergibt sich eine schlechte Versor- menschen gungssituation von Claudia Dässel, die auch dadurch sichtbar wird, dass sie immer noch in dem inzwischen 15 Jahre alten Rollstuhl aktiv ist, der in der Erstklinik verordnet wurde. Der einmal genehmigte Zweitrollstuhl wurde so schlecht angepasst, dass er nicht genutzt wird. Lob an Unterstützer Nach ihrem Unfall hat Claudia Dässel weiter das Gymnasium besucht und ihr Abitur mit dem großen Latinum gemacht. „Ich war und bin meinen Schulkameraden sehr dankbar dafür, dass sie mich wirklich enorm unterstützt haben.“ Nur dadurch – so betont Claudia Dässel – war es ihr möglich, die sechsmonatige verletzungsbedingte Fehlzeit auszugleichen und ihr Abitur mit ihrem Jahrgang zu machen. Ein besonderes Lob gilt auch der Stadt Wegberg, die innerhalb weniger Monate das Gymnasium barrierefrei gestaltet hat, bis hin zur Installation eines Aufzugs: „Vom Schulleiter bis zum Bürgermeister haben sich alle voll dafür eingesetzt, dass ich weiter ganz normal am Unterricht teilnehmen konnte.“ Anschließend wurde an der Fachhochschule in Mönchengladbach studiert mit dem DiplomAbschluss „Sozialarbeit“ und „Sozialpädagogik“.Seit 2005 arbeitet die junge Frau halbtags als Beraterin und Vermittlerin von Selbsthilfe- Gruppen aller psychischen-, physischen und Suchtbelastungen. Dies bei der „SelbsthilfeKontaktstelle Krefeld“ in der Trägerschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, hauptsächlich in Krefeld und Umgebung. So hilft sie bei der Gründung von Selbsthilfegruppen und deren Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise auf Messen und Ausstellungen, sie organisiert Veranstaltungen und spezielle Thementage, fördert die Zusammenarbeit mit Ärzten und Fachleuten und vertritt die Selbsthilfe in den dafür infrage kommenden öffentlichen Gremien. Dazu arbeitet die aktive junge Frau als „geringfügig Beschäftigte“ in der Reha-Beratung im „Maria-Hilf“-Krankenhaus in Krefeld. In Verbindung dazu auch noch bei „Reha Krefeld GmbH“. Fitness und Freunde Claudia Dässel geht in ihrer Arbeit voll auf. Sie berät beispielsweise auch Patienten und deren Angehörige über die Möglichkeiten einer ambulanten oder stationären Anschlussheilbehandlung, die nötige Beantragung wird sofort durchgeführt: „Um eine nahtlose Therapie zu ermöglichen, halte ich bis zur Genehmigung einen engen Kontakt zu den behandelnden Ärzten, den Krankenkassen, den Rentenversicherungsträgern und den Rehakliniken im gesamten Bereich von Nordrhein-Westfalen.“ Darüber hinaus bleibt we- Anzeige 1SPEVLUFOUXJDLMVOHVOELMJOJTDIF'PSTDIVOHBVGEFN (FCJFUEFSd/FVSPHFOFO#MBTFOFOUMFFSVOHTTUÑSVOHp )ÑDITUFQIBSNB[FVUJTDIF2VBMJU¿UEVSDI )FSTUFMMVOHJONPEFSOFO4UFSJM3¿VNFO -JFGFSVOHPIOF8BSUF[FJUFOJOOFSIBMCWPO IBOKFEFO0SUJO%FVUTDIMBOE *OEJWJEVFMMF1BUJFOUFOCFUSFVVOH .P'SWPOCJT6IS BN5FMFGPO ... dass sie immer noch in dem inzwischen 15 Jahre alten Rollstuhl aktiv ist, der in der Erstklinik verordnet wurde. menschen Claudia Dässel im Interview ? Was ist Dein größter Wunsch: ! Ich möchte weiter in meinem Beruf erfolgreich arbeiten und eine Familie mit Kindern haben. ? Wie wichtig ist für Dich eine Partner- Menschen habe und ich den Tag in netter Gesellschaft romantisch ausklingen lassen kann. ? Was hältst Du für Deine größte Macke: ! Andere weisen schon mal auf das Chaos auf meinem Schreibtisch hin. Ich sehe das anders, denn nur ein Genie beherrscht das Chaos. schaft: ! Das gehört absolut selbstverständlich zu meinem Leben. ? Was macht für Dich einen Tag so Mit Mutter Mechthilde Dässel und Stiefvater Gunnar Mitzner im eigenen Garten. ! richtig schön: Schön ist ein Tag für mich, wenn ich früh aufstehe, rausrolle, viele Sachen erlebe und erledige, positive Kontakte zu netten ? Was würdest Du mit einem Lottoge! winn von sechs Millionen machen: Dann würde ich mir barrierefreie Häuser in sonnigen Regionen bauen lassen und einen Audi A6 kaufen. nig Zeit für die Durchführung besonderer organisierter Interessen. An Sport steht – neben Reha-Maßnahmen – hauptsächlich etwas Training mit Fitnessgeräten an, gelegentlich auch Ausfahrten mit dem Rollibike im schönen deutsch-niederländischen Grenzraum, den man in dieser landwirtschaftlich geprägten Region gar nicht mehr als Trennung zwischen zwei Staaten erkennt. Daneben pflegt Claudia Dässel gute Kontakte zu vielen Freunden und Bekannten: „Meine abendlichen Telefonate dauern schon mal länger als eine Stunde.“ Sie besucht gerne Rockkonzerte und liebt es, in ihrem Urlaub zu verreisen. Immerhin war sie schon mal mit ihren ebenfalls sehr naturliebenden Eltern – die Mutter hat als Krankenschwester gearbeitet, der Stiefvater ist selbstständiger Fotograf – in Kanada und schwärmt von der riesigen Weite dieses Landes. Alles in allem ist Claudia Dässel eine wirklich sehr zufriedene und lebensbejahende junge Frau, die sich ihres Lebens und ihrer wichtigen gemeinnützigen Aufgaben freut. Die auch in der Lage ist, mit ihrem Einkommen ein selbstbestimmtes Leben zu führen nach dem Motto „selbst optimistisch sein und diesen Optimismus anderen vermitteln.“ Text & Fotos: Hermann Sonderhüsken 22 PARAPLEGIKER 2/10 Was bleibt, ist Kontinenz. ! Wir sind für Sie da -62 64 Hotline (0 56 61) 71 bbraun.de www.inkontinenz. Zwei Buchstaben können ein Leben verändern. Mit dem umfassenden Hilfsmittelprogramm von B. Braun kann aus einer Inkontinenz eine steuerbare Kontinenz werden. Für einen unbeschwerten, sicheren Alltag. Gern beraten wir Sie über unsere Versorgungskonzepte: (0 56 61) 71- 62 64 B. Braun ContinenceCare. So einfach. So sicher. B. Braun Melsungen AG | OPM | 34209 Melsungen | Deutschland Tel (0 56 61) 71-33 99 | www.bbraun.de | www.inkontinenz.bbraun.de menschen Mit mobilem Sanitätshaus zum Kunden: Josef Dobler Moderne Sanitätshäuser definieren sich als Gesundheitsdienstleister, bieten OnlineBestellmöglichkeiten, haben moderne Ausstellungsräume und Marketingstrategien, vielleicht sogar eine eigene Zeitschrift. So gesehen ist das Sanitätshaus von Orthopädiemechaniker Josef Dobler hoffnungslos unmodern. Die Gehschule soll da stattfinden, wo man lebt – zum Beispiel auf dem Bauernhof. Doblers Jeep CJ-5 – mit Corvette-Motor, Unimog-Achsen und Automatikgetriebe. Geländewagenrennen – auch mit Beinprothese kann man dieses Hobby ausüben. 24 PARAPLEGIKER 2/10 S ein Laden ist so klein wie möglich, seine Werkstatt befindet sich in einem Transporter. Der „Orthosepp“, wie er sich selbst nennt, hat gegenüber seinen großen Wettbewerbern allerdings einen Vorteil: Er muss nicht darauf warten, dass die Kunden es schaffen, in seinen Laden zu kommen. Er fährt selbst auf Kundenbesuch. Beim Kunden daheim in der Küche nimmt er Gipsabdrücke, repariert Orthesen oder passt Prothesen an. Dobler ist mit Sicherheit ein ungewöhnlicher oder unangepasster Orthopädiemechaniker. Unprofessionell ist er allerdings nicht! Er hat seit 1994 einen Meistertitel („den besten, Notenschnitt – 1,46!“), hat seine Firma seit ein paar Monaten nach DIN ISO 9001 zertifiziert und arbeitet mit denselben Zulieferfirmen wie andere Sanitätshäuser – von Otto Bock bis Medi und von Bauerfeind bis Neuhof. Wie alle anderen muss auch er scharf kalkulieren: Die Preise für orthopädische Hilfsmittel wurden seit Jahren nicht der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst, teilweise sind sie rückläufig. Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik warnte kürzlich, dass in den Betrieben alle Rationalisierungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, sodass weitere Preissenkungen im Bereich der Hilfsmittel- oder Rehamittelversorgung in Zukunft zu Qualitätsverschlechterungen führen würden. Die meisten Sanitätshäuser suchen längst nach Wegen, neben Patienten mit Rezepten auch selbst menschen zahlende Kunden anzuziehen. Sportartikel, Mode-, Wellness- und Kosmetikangebote sollen Sportler und Gesundheitsbewusste in die „Gesundheitshäuser der Zukunft“ locken. Dobler hat seinen eigenen Weg gefunden, die Kosten seiner Firma zu senken. Eigentlich bräuchte er gar keinen Laden. Er hat trotzdem einen, den kleinsten, der zu haben war. Gegenüber den Krankenkassen muss er nämlich dieselben Bedingungen erfüllen wie seine großen Kollegen. Um seine Kassenzulassung zu behalten, muss er einen Laden besitzen, der auch noch dauernd besetzt ist. Für seinen Alltag wäre das nicht wirklich nötig. Er kommt aus Großkarolinenfeld, einem Dorf zwischen München und Chiemsee. Sein Einzugsgebiet ist Süddeutschland, am liebsten fährt er in die Orte rund um München. Notfalls würde er auch weiter fahren. Seine Kunden sind vor allem Menschen mit Beinprothesen. Da lag es nahe, die Kunden aufzusuchen, die nicht oder nur schlecht laufen können. Auf Hausbesuch fährt er beispielsweise, wenn ein Prothesenschaft nicht mehr richtig passt, weil der Kunde 10 kg zu- oder abgenommen hat. Bei so großen Volumenschwankungen muss man einen neuen Schaft beantragen, kleinere Unterschiede lassen sich oft durch Polsterungen oder Erweiterungen des Schaftes lösen. Solche Kunden haben es immer eilig – und sie sind zwangsläufig schlecht zu Fuß. Der mobile Orthopädiemechaniker erspart ihnen also die Taxikosten oder den Aufwand, einen Transport privat zu organisieren. Zeit spart er auch. Die Krankenkassen könnten sich über diesen Extra-Service eigentlich freuen und ihn entsprechend honorieren. Die Realität sieht anders aus: Dobler erhält weder Fahrtkosten noch sonstige Zuschüsse für seine mobile Werkstatt. Beim Aufbau der mobilen Werkstatt kam dem Orthopädiemechaniker sein Hobby zu gute. In seiner Freizeit fährt er Geländewagenrennen. Dazu braucht man, ganz wie berühmtere Rennfahrer auch, einen Werkstattwagen. Der Umgang mit Notstrom, Druckluft, Spannungswandlern und Reservebatterien ist für ihn deshalb alltäglich. Im Rallyesport müssen die elektrischen Werkzeuge natürlich auch funktionieren, wenn es dunkel ist und kein Stromanschluss in der Nähe ist. Verglichen mit diesen Anforderungen ist die Arbeit vor Ort bei seinen Kunden in Bayern eine Kleinigkeit. Für den Orthopädiemechaniker ist die technische Herstellung einer passenden Prothese heute kein großes Problem. Der Hauptaufwand besteht für ihn in Wirklichkeit darin, die Bürokratie zu erledigen. Jeder Antrag muss korrekt ausgearbeitet bei der Krankenkasse gestellt werden. Abgelehnte Anträge sind häufig, Kostenvoranschläge müssen ausgearbeitet und korrigiert werden. Für den Orthopädiemechaniker ist die technische Herstellung einer passenden Prothese heute kein großes Problem. Der Hauptaufwand besteht für ihn in Wirklichkeit darin, die Bürokratie zu erledigen. Vielleicht sind die Hausbesuche, die Dobler mit seiner mobilen Werkstatt durchführt, ein kleiner Ausgleich für diese lästigen Bürotätigkeiten. Begeistert berichtet er beispielsweise davon, dass er mit seinen Kunden auch gleich übt, die neuen Prothesen zu nutzen. Bei Bedarf holt er sich Unterstützung durch ein Therapeutenteam. Und bei der Wahl der Trainingsorte orientiert er sich an den häuslichen Gegebenheiten. Eine Bäuerin wollte beispielsweise daheim in ihrem Kuhstall üben, mit der Prothese zu laufen. Dem Orthopädiemechaniker hat es ganz offensichtlich Spaß gemacht. Info: Ein Video vom Gehtraining im Kuhstall findet sich auf www.orthosepp.de. Text: Ruth Auschra Fotos: Dobler Anzeige Baden ohne Barrieren Hebe- und Pflegehilfen für Menschen mit Handicap 10 x in Deutschland Wir haben Lösungen Handi Move Postfach 146 72215 Wildberg Tel. 07054 7178 Fax 07054 7743 www.handi-move.de info@handi-move.de bericht Bundesliga-Stadien: Zu wenig Platz für Wohl dem, der eine Dauerkarte hat. Doch die zu bekommen ist schwierig. Hunderte Rollifahrer stehen auf den Wartelisten der Fußballklubs. Dabei gibt es eine gesetzliche Vorschrift, dass ein Prozent der deutschen Fußballstadien den behinderten Fans vorbehalten sein muss. Es handelt sich um eine bindende Verordnung, an die sich alle Betreiber von Fußballstadien halten müssen – sie tun es aber nicht… D er ehemalige Steiger Ulli Freitag ist glücklich: Er hat seit 16 Jahren ein Saisonticket und genießt die Annehmlichkeiten der (zum Teil) barrierefreien Arena in Gelsenkirchen. Ohne Hindernisse rollt er vom Parkplatz zu seinem Platz im Stadion. Ulli Freitag, der durch einen Arbeitsunfall gelähmt ist, setzt sich aktiv für Behinderte ein. Auch gehörte er zu den wenigen auserwählten Rollstuhl fahrenden Schalke-Fans, dessen Meinung beim Bau der Arena im Jahr 2001 zählte. Doch leider wurde sein Anliegen nach mehr Plätzen für Behinderte ignoriert. „Zwar wurden wir gefragt, doch leider wurden nicht alle unsere Wünsche berücksichtigt, dabei wären die Baukosten des Stadions vermutlich nicht einmal gestiegen“, so Freitag. „Aber bei den meisten Bundesligavereinen besteht das Problem der umkämpften Plätze, nicht nur bei den Rollifahrern.“ Dennoch kümmert sich Schalke 04 sehr um seine behinderten Fans. „Ein Shuttleservice holt sie vom Bahnhof ab und bringt sie zum Stadion. Auch gibt es organisierte FanFahrten in einem behindertengerechten Bus zu interessanten Fußballspielen“, so Freitag. Auch kann man sich, wie bei allen Bundesligaspielen des Landes an die jeweiligen Behinderten-Beauftragten wenden, die bei auftauchenden Problemen zur Verfügung stehen und versuchen Hilfestellung zu leisten. Bei Schalke 04 ist es der ehemalige Pfarrer Jochen Dohm, der den Rollifahrern mit Rat und Tat zur Seite steht. Er ist gleichzeitig auch Vorsitzender der BBAG, der Organisation behinderter Fans in Deutschland. An die kann sich jeder wenden, sollte er Fragen zu 26 PARAPLEGIKER 2/10 bericht Fans im Rollstuhl den Vereinen, Spielen, Aktivitäten sowie dem ganzen Drumherum benötigen. „Mit Pfarrer Dohm zusammen löse ich die meisten Probleme“, sagt Freitag. „Wichtig zu wissen ist noch, dass nicht in Anspruch genommene Dauerkarten bei Schalke 04 nie verfallen. Ich gebe in der Saison ungefähr fünf Karten pro Saison zurück, die wiederum anderen behinderten Fans zugutekommen.“ Die BBAG hat sogar einen, von der Bahn gesponserten Reiseführer für behinderte Fußballfans herausgegeben. Hier sind Informationen aus den Städten, deren Vereine in der 1., 2. und 3. Bundesliga spielen, zusammengetragen worden, damit behinderte Fans sowohl einen unbeschwerten Stadionaufenthalt als auch alle weiteren Aspekte des Fan-Lebens in der jeweiligen Stadt genießen können. Walter Neuss (Name gerändert) geht es nicht so gut wie Ulli Freitag. Der Achtundfünfzigjährige ist seit sieben Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, weil sich seine Gelenke langsam versteiften. Das hat sein Leben auch als Fan verändert. Seit seiner Kindheit betrachtet Neuss Schalke 04 fast wie seine Familie. Er weiß alles über seinen Verein und besaß früher eine Dauerkarte. Aber jetzt ist er außen vor. In seinen Tagträumen hört er die Fans singen und sieht die Spieler einlaufen. Trä- Anzeige nen steigen ihm in die Augen, denkt er an die Zeiten, wo er live die Stimmung in dem Schalke-Stadion erleben durfte. Jetzt ist ihm der Kampf ums Ticket zuwider. Anrufen und betteln um eine Karte mag er nicht mehr. Er ist etwas enttäuscht von dem Verein, der es nicht schafft, genügend Rollstuhlplätze einzubauen. Da Walter Neuss auf das StadionErlebnis nicht ganz verzichten möchte, hat er sich eine Ersatzdroge zugelegt. Er besucht alle vierzehn Tage einen Zweitligaverein in der Nachbarstadt und hat auch da seinen Spaß. Zwar ist die Stimmung da nicht ganz so wie auf Schalke. Wenn er dort in der ersten Reihe und familiären Atmosphäre seinen Favoriten zujubelt, vergisst Walter Neuss die Sehnsucht nach seiner großen Liebe Schalke 04. Tricksen unerwünscht Für die Gelsenkirchener Arena gehen beispielsweise nur 0,15 Prozent aller Karten an Rollstuhlfahrer. Das passt ins Gesamtbild: In allen Stadien der ersten und zweiten Bundesliga gibt es insgesamt 2 800 Rolli-Plätze. Häufig wurde die Ein-Prozent-Quote schon beim Bau ignoriert. In vielen Stadien herrscht Kartenknappheit – und die Rolli-Plätze müssen aus sozialen Gründen günstig abgegeben werden. 13 €, inklusive Begleitperson, muss der behinderte Fußballfan bezahlen. Ein Roll- bericht stuhlfahrer beansprucht drei bis vier Plätze, die für 50 € verkauft werden könnten. Für die Vereine ein Verlustgeschäft. 98 Fans im Rollstuhl können die Heimspiele der Königsblauen genießen. Davon besitzen sechzig Dauerkarten, zehn Tickets bekommen die Fans des Gästeteams. Sind also nur noch achtundzwanzig freie Karten übrig, die häufig unter der Hand verteilt werden, so dass der Rollstuhl fahrende Fan wenig Chancen hat. Diese Zahlen gelten nicht nur für die Schalker. In den Bundesliga-Arenen sind so ziemlich alle Plätze in den Händen der Dauerkartenbesitzer. Kein Wunder, dass dieses Thema die Rollstuhlfahrer erhitzt. Schließlich sitzen in Deutschland 800 000 Menschen im Rollstuhl und es werden, aufgrund der demografischen Entwicklung, immer mehr. „Bei dieser Verordnung handelt es sich um ein bindendes Gesetz, woran sich auch die Betreiber von Fußballstadien halten müssen“ Beim FC Schalke 04 bestrei- tet man, dass Geldgründe für das Kartendefizit vorliegen. „Wir versuchen es jedem recht zu machen“, so der Geschäftsführer Peter Peters. „Da aber in jeder Kartenkategorie eine Übernachfrage besteht, können wir es nicht jedem recht machen.“ Damit machen es sich Klubs wie Schalke wohl zu leicht, berichtete das WDR-Magazin „sport inside“. In vielen Bundesländern gibt es die so genannte „Muster-Versammlungsstättenverordnung“. Auch in Nordrhein-Westfalen schreibt sie vor: Ein Prozent der Plätze in Versammlungsstätten müssen für Rollis zugänglich sein. Jan Hoffmann, Referent des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, kritisiert, dass die Klubs diese Quote allesamt ignorieren. „Bei dieser Verordnung handelt es sich um ein bindendes Gesetz, woran sich auch die Betreiber von Fußballstadien halten müssen“, so Hoffmann. Die Verstöße sind aus seiner Sicht erheblich. Wahrscheinlich hätten die Landesregierungen beide Augen zugedrückt. Hoffmann würde sich wünschen, dass die 28 PARAPLEGIKER 2/10 Rollstuhlfahrer eine Musterklage inszenieren, damit die Klubs reagieren. Aber dafür sind die behinderten Fans zu zurückhaltend, weil sie fürchten, dass dadurch schwer erkämpfte Errungenschaften wieder verloren gehen könnten. Sie tun sich verständlicherweise schwer, bei diesem Thema Druck auf die Vereine auszuüben. Viele Rollifahrer leiden doppelt: Früher – nicht behindert – waren sie noch gern gesehener Teil der Kurve, heute sind sie außen vor. Nur im Fernsehen können die meisten Spiele noch mit verfolgt werden. Wer eine Dauerkarte hat, kann sich glücklich schätzen. Doch die zu bekommen ist schwierig: Hunderte Rolli-Fahrer stehen auf den Wartelisten der Klubs. Einen freien Platz gibt es fast nur dann, wenn sein Vorbesitzer verstirbt. Mancher Rollstuhl fahrende Fan greift in seiner Verzweiflung zu einer List und gibt sich als Fan des Gegners aus, um so ein Ticket aus dem Auswärtskontingent zu ergattern. „Es ist getrickst“, sagt Helge Maurer. Helge ist Fan vom VFL Wolfsburg. „Ich habe aber keine andere Wahl, wenn ich irgendwo in Deutschland ein Fußballspiel besuchen möchte.“ Ihm als Rollstuhlfahrer ist es finanziell nicht möglich, sich teure Tickets im Internet zu ersteigern. Also blüht der illegale Schwarzmarkt, der aber zusammenbrechen würde, wenn es jeder so handhabt. Text: Heike Stüvel Foto: Ulli Freitag Infos: Internet-Portal f. behinderte Fans: www.behinderte-aufschalke.de BBAG - Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft www.bbag-online.de / www.behindertefans.de eMail: info@bbag-online.de Postanschrift: BBAG e.V. Jochen Dohm Freiligrathstr. 23 45881 Gelsenkirchen q – querschnitt spezial Das silberne Spar-Schwein: Provision für Kürzungen?! Man staunte nicht schlecht bei einer Firma, die Menschen mit Handikap mit „zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln“ versorgt und die Kosten dafür mit den Krankenkassen abrechnet. Landete doch auf dem Schreibtisch der Firma Hilfsmittel Komplett (Name geändert) eine Abrechnung der Firma OTOP an die AOK Schleswig-Holstein, die ausgerechnet auch noch sie selbst betraf. Dass es dabei um die rigorose Kürzung von Versorgungsmengen für ärztlich verordnete Inkontinenzprodukte ging ist schon aus Datenschutzgründen mehr als bedenklich. Denn um solche Überprüfungen zu veranlassen, muss die Krankenkasse persönliche Daten ihrer Mitglieder an eine Fremdfirma weiterreichen. Nur mit Name und Anschrift des Patienten geht das nicht und auf jedem Rezept steht u.a. auch eine Diagnose. Was man mit solchen Daten anfangen kann hat vor gar nicht langer Zeit das Beispiel der Deutschen Telekom gezeigt, die Kundendaten an Callcenter weitergereicht hatte. Gleiches gilt für die Tatsache, dass Mitarbeiter der Firma OTOP unaufgefordert mit Patienten „Beratungsgespräche“ führen, dabei sensible medizinische Einzelheiten erfragen und daraus Empfehlungen für Kosten- (= Mengen-) reduzierte Versorgungen herleiten. So etwas wäre allenfalls eine Aufgabe des MDK. Selbst Krankenkassen haben kein Recht, genaue medizinische Informationen zu bekommen und ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis dürfen sie Fremdfirmen noch weniger das Recht einräumen. Dass eine Krankenkasse Möglichkeiten sucht, Kosten einzusparen kann man ihr nicht verdenken. Dass sie dabei rigoros und inkompetent vorgeht, könnte man noch auf dem Kostendruck zurückführen. Dass die Patienten als schwächstes Glied in der Kette alles ausbaden müssen kennen wir auch schon. Doch in diesem Fall „kaufen Patienten nicht etwas bei ihrer Krankenkasse ein“, sondern sie sind durch das Gesetz zwangsweise verpflichtet, von ihrem Einkommen Beiträge für die Krankenversicherung zu zahlen, für die ihnen von der Krankenkasse neben anderem auch Hilfsmittel als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden. Deshalb sind gesetzliche Krankenkassen auch Anstalten des öffentlichen Rechts, die durch den Bundesrechnungshof ge- prüft werden und verpflichtet sind, mit den ihnen anvertrauten Geldern ihrer Mitglieder sorgsam umzugehen. Die AOK Schleswig-Holstein entlohnt die Firma OTOP nämlich nicht nach Rezepten, Patientenzahlen oder Aufträgen. OTOP erhält von der AOK eine Provision als Prozentsatz der durch ihre Tätigkeit „eingesparten“ Beträge. Im Klartext: Je mehr zusammengestrichen wird, desto mehr verdient die Firma OTOP. Die Mitglieder werden also nicht nur schlechter versorgt als vorher, sie finanzieren über diese Provisionen aus ihren Mitgliedsbeiträgen ihre Schlechterversorgung sogar noch selbst. Das Sprichwort von den allerdümmsten Kälbern, die sich ihre Metzger selber suchen, passt an dieser Stelle leider nicht. Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Pflichtversicherung und der Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse führt nicht notwendigerweise zu einem anderen Ergebnis. Denn OTOP bewirbt sich überall bei den Krankenkassen unter dem Motto „Wir sparen Ihnen Kosten ein und kosten Sie nichts, weil wir nur von den Beträgen Provision bekommen, die Sie durch unsere Arbeit nicht ausgeben müssen“. Ob es noch andere Krankenkassen gibt, die einen solchen – m. E. sittenwidrigen – Vertrag vereinbart haben weiß ich nicht. Die Vereinbarung rechtlich zu bewerten überlasse ich anderen. Ein erschreckendes Beispiel für eine echte „Spar-Schwein“erei ist sie garantiert! Kriterium für die „Ehrung“ ist die Kreativität der Begründung für eine Ablehnung. Je unsinniger, desto besser sind die Chancen. Ob man darüber eher schmunzelt oder sich mehr über die Ignoranz ärgert, bleibt jedem selbst überlassen. Vorschläge sind willkommen. Text: Herbert Müller Herbert Müller Rechtsbeistand im Sozialrecht der Fördergemeinschaft d. Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. Freiherr-vom-Stein-Str. 47 56566 Neuwied-Engers tel 0 26 22-88 96-32; fax -36 eMail: h.mueller@engers.de PARAPLEGIKER 2/10 29 q – querschnitt spezial BG Klinik Bergmannstrost in Halle/Saale: Das neue Bergmannsstrost, Luftaufnahme 2009. Moderne Medizin im Wandel der Zeit In unserer Serie über Behandlungszentren für Rückenmarkverletzte beschäftigen wir uns diesmal mit den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost, hier dem Zentrum für Rückenmarkverletzte und der Klinik für Orthopädie in Halle/Saale. Betroffenen und ihren Familien, die in ihrer Nähe eine Klinik suchen oder einen Ansprechpartner zum Thema Querschnittlähmung benötigen, sei die Internetseite der Fördergemeinschaft „www.fgq.de“ ans Herz gelegt. Dort findet man Kliniken, Ärzte, Sozialdienste und meist selbst betroffene erfahrene Berater. Das Fundament für die Hochleistungsmedizin in Deutschland von heute wurde durch die Einführung der Sozialgesetze vor über 110 Jahren gelegt. Die 1884 eingeführte Unfallversicherung war und ist neben der Kranken- und Rentenversicherung Grundlage unseres sozialen Zusammenhaltes. Um die bis dahin unzureichende Heilbehandlung der Bergleute zu verbessern, wurde 1887 unter der Leitung von Bergassessor Bernhard Leopold mit der Planung eines Krankenhauses begonnen. Dank eines zügigen Bauablaufs konnte am 8. September 1894 das Krankenhaus Bergmannstrost eingeweiht werden. Nach dem zweiten Weltkrieg diente der Standort als russisches Lazarett und ab 1947 als 30 PARAPLEGIKER 2/10 Krankenhaus der Allgemeinversorgung. Mit der Deutschen Vereinigung und dem Trägerwechsel 1994 erstarkte das Bergmannstrost zum europaweit einzigartigen Leistungszentrum bei der Versorgung Unfallverletzter. Am 04.12.1997, dem Tag der christlichen Märtyrerin und Schutzherrin der Bergleute, der heiligen Barbara, konnte der Klinikneubau eröffnet werden. Mit der Neueröffnung entstand mitten in Sachsen-Anhalt eines der modernsten Traumazentren Europas, mit dem Rückenmarkzentrum als eines der entscheidenden Leistungsträger. Seither wird das medizinische Hochleistungszentrum mit heute neun Fachkliniken und insgesamt 452 Betten weiterentwickelt. Im neuen q – querschnitt spezial Wirbelsäule nach operativer Stabilisierung. letzungen; Anm.d.Red.) eine effektive und spezialisierte Behandlung für Patienten mit frischer Querschnittlähmung vor. Das Rückenmarkzentrum setzt mit medizintechnischer Ausstattung und Angebotsvielfalt überregional Zeichen. Bergmannstrost in Halle werden sämtliche Verletzungen und deren Folgezustände behandelt. Damit steht das neue Bergmannstrost beispielhaft für eine Versorgung frisch verletzter Unfallopfer bis hin zur Rehabilitation. Somit hat sich auf Grundlage des Gesetzes zur Linderung der sozialen Not vor über 110 Jahren ein hocheffizientes und leistungsfähiges System der Versorgung von Unfallopfern entwickelt. Das berufsgenossenschaftliche Prinzip der Steuerung des Heilverfahrens über die Akutphase hinaus bis zur Wiedereingliederung wird seitdem stetig weiterentwickelt. Umfassendes Konzept Das Zentrum für Rückenmarkverletzte und die Klinik für Orthopädie der BG Klinik Bergmannstrost / Halle hält im Rahmen des europaweit einzigartigen Polytraumakonzeptes (= vielfältige Ver- Anzeige Neben der Wirbelsäulenchirurgie und der intensivmedizinischen Betreuung in der Schockphase, wird die Nachsorge über Physio- und Ergotherapie, die Hilfsmittelanpassung bis hin zur Beratung, in Zusammenarbeit mit den Versicherern, zur Anpassung der Wohnsituation fortgeführt. Lebenslange Nachsorge und Check up sowie die unentbehrliche urologische Betreuung ist konzeptionell verankert. „Space Curle“ zur Rumpfstabilisierung. q – querschnitt spezial Auf Querschnittlähmung und Wirbelsäulenverletzung hoch spezialisierte Ärzte, Pflegepersonal, Physio- und Ergotherapeuten erfüllen das Konzept mit Leben und tragen zum Erfolg der ganzheitlichen Versorgung bei. Im Zentrum für Rückenmarkverletzte der BG-Kliniken Bergmannstrost wurden im Jahre 2009 insgesamt 375 Patienten mit einer Querschnittlähmung behandelt. Davon waren über die Hälfte berufsgenossenschaftlich versichert. Neben den Erkrankungen der Wirbelsäule, die Lähmungen verursachen, werden auch sämtliche anderen Wirbelsäulenerkrankungen und orthopädischen Leiden behandelt. Das Spektrum umfasst Bandscheibenvorfälle, Korrekturen von Fehlstellungen, Skolioseaufrichtungen, tumoröse / entzündliche / rheumatische Instabilitäten. Minimalinvasive Techniken finden unter Verwendung moderner Implantate, biologischer Transplantate, Schmerztherapie, Medikamentenpumpen und Schmerzsonden am Rückenmark statt. Weitere Therapien • • • • • • • Plastische Deckung schwerer Weichteildefekte, Versorgung von Extremitätenverletzungen bei Querschnittgelähmten, Entfernung von Gelenkverknöcherungen sämtlicher Gelenke, Endoprothesen, Kunstgelenkersatz von Hüft- und Kniegelenken, Gelenkspiegelungen: orthopädisch / arthroskopische Gelenkchirurgie (Knie-, Hüft-, Schulter- Sportverletzungen), Muskelersatzoperationen inkl. Neuroprothesen bei Tetraplegikern, Spastiktherapie. Das Zentrum für Rückenmarkverletzte und die Klinik für Orthopädie sind die konsequente Fortsetzung des Prinzips einer Versorgung unter dem Motto „Alles aus einer Hand“. Dies beginnt mit dem Polytraumakonzept in der Rettungsstelle und setzt sich in der operativen Versorgung der Verletzungen der Wirbelsäule über die intensivmedizinische Phase des spinalen Schocks, Eingliederung in das gesellschaftliche und berufliche Leben und lebenslange Nachsorge fort. Text: Dr. med. Volker Mall, Oberarzt Fotos: BG Kliniken Bergmannstrost, Halle 32 PARAPLEGIKER 2/10 Kontakte Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost Zentrum für Rückenmarkverletzte Merseburger Str. 165 06112 Halle/Saale Sekretariat: Frau Kalbitz/Frau Beyer Telefonzentrale: 03 45-1 32 60 www.qz-halle.de Für Fragen aller Art: Direktor des Zentrums für Rückenmarkverletzte: Dr. Klaus Röhl tel 03 45-1 32-63 11 roehl@qz-halle.de Leiter Neuro-Urologie: Dr. Andreas Redecker Sekretariat: Frau Schlegel tel 03 45-1 32-74 30 andreas.redecker@bergmannstrost.com Sozialdienst: Petra Kücker tel 03 45-1 32-75 45 petra.kuecker@bergmannstrost.com FGQ-Berater: Christoph Kuliberda tel 03 45-1 32-75 76 kuliberda@qz-halle.de Thorsten Staar Haselnussweg 18 06120 Halle tel 03 45-29 00 870 fax 03 45-29 00 871 thorsten.staar@t-online.de q – querschnitt spezial Paraplegiker für DarmfunktionsStudie gesucht MR-Defäkographie, Für eine so genannte Defäkographie-Studie über einen Zeitraum von sechs Monaten werden von der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg Teilnehmer mit einer kompletten Paraplegie gesucht. Die Auswirkung der Querschnittlähmung auf die Darmfunktion ist ein bisher ungelöstes Problem. Bei etwa der Hälfte aller querschnittgelähmten Patienten treten Abführprobleme und Stuhlunregelmäßigkeiten auf. Blähungen, Schmerzen, Unwohlsein, ungewollte Stuhlabgänge und vermehrte Spastizität oder auch eine reflektorische Störung der Blasenfunktion treten oft als Begleitsymptome auf. Etwa 23% der Querschnittpatienten werden wegen gestörter Darmentleerung stationär behandelt. Die Dauer der Querschnittlähmung, das Vorhandensein einer kompletten Lähmung und die Selbstständigkeit des Patienten sind Faktoren, die eine erfolgreiche Darmrehabilitation beeinflussen können. Die „Darmrehabilitation“ bei Tetra- und Paraplegikern gründet sich überwiegend auf erfahrungsbasierten Methoden, die sich bis heute in den Spezialzentren für Querschnittlähmung bewährt haben. Primär wird der Entleerungsrhythmus mit Hilfe von Laxantien (Abführmitteln) im Sinne eines DarmManagements angestrebt. Aktuell gibt es jedoch keine objektiven Messverfahren für die Überlegenheit einer bestimmten Abführmethode bei einem bestimmten Lähmungstyp. ASIA Untersuchung (Dokumentation des bestehenden Lähmungsausmaßes), Fragebogen zur neurogenen Darmlähmung, SkARV Test. Zur Verfügung stehende Untersuchungszeiten: Montag bis Freitag ab 16 Uhr, sowie Samstag nach Absprache. Die Untersuchung erfolgt nur an Abführtagen. Die Koordination der Termine erfolgt über Herrn cand. med. B. Wagner. Nach Ablauf der Studie werden wir Sie über die Ergebnisse informieren. Für die Anfahrt wird eine Aufwandsentschädigung von 50 € erstattet. Für weitere Fragen und Informationen stehen wir Ihnen unter folgender Telefonnummer gerne zur Verfügung: Frau Dr. med. C. Putz: 0 62 21-96-5 Oder eMail: Cornelia.Putz@med.uni-heidelberg.de Anzeige Zawatzky macht mobil – Mittels MR-Defäkographie ist es möglich die Dynamik der Stuhlentleerung darzustellen und mögliche Störungen im Ablauf der Stuhlentleerung besser zu verstehen und zu behandeln. Bremse Wie läuft die MR-Defäkographie ab? Die MR-Defäkographie ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem es möglich ist den Ablauf der Stuhlentleerung darzustellen. Um zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, ist es notwendig, dass der MRT Termin mit dem Abführtag übereinstimmt. Während der Untersuchung sollten Sie sich entspannt auf die linke Seite legen. Nach Füllung des Enddarmes mit Kontrastmittel (Ultraschallgel) wird der Prozess der Stuhlentleerung eingeleitet und über einen anal aufklebbaren Beutel (Fäkal-Kollektor) aufgefangen. Zawatzky macht mobil – mit fachgerecht ne Par ind erte r ko 45 Jahren über igter Sach ver nfahrzeuge r te p m seit t umgerüsteten Autos stä • ich bestellte r entl Ö ff e t e n u eid ver nd ger (IHK) für B ndi eh Ausschlusskriterien für die Untersuchung sind beispielsweise Herzschrittmacher. Wir bitten Sie zur Untersuchung einen aktuellen Kreatinin-Wert mitzubringen. Wir suchen insgesamt 20 bis 30 Patienten, die als Probanden an der Studie teilnehmen möchten. Die klinische und kernspintomographische Untersuchung in der Radiologischen Abteilung der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg dauert (inklusive Aufklärung) ca. 90 Minuten und beinhaltet: Handgerät Heidelberg RS mit 4-FunktionenSchaltkonsole Gas Überzeugen Sie sich von unseren Handgeräten, Brems- und Lenksystemen und den Verlade- und Aufstehhilfen. Kfz-Anpassungen bei Mobilitätseinschränkung Spezialfahrschule Fahrbegutachtung ® www.mobilcenter.de Servicepartner: Braunschweig: Augsburg: Dresden: 0531 37 30 78 0821 9 10 33 0351 8 49 29 33 Weitere Servicepartner auf Anfrage Meckesheim bei Heidelberg 06226 9217-0 Fahrschule Neckargemünd 06226 9217-0 Köln-Mülheim 0221 297204-11 q – querschnitt spezial Was ist eigentlich – Der „Brindley Stimulator“? Laien sprechen vom „Brindley-Stimulator“, einer „Blasenstimulator-OP“ oder gar vom „Blasenschrittmacher“. Der letztgenannte Ausdruck ist unzutreffend, denn es handelt sich nicht um einen Schrittmacher mit einer eigenen Energiequelle wie z. B. ein Herzschrittmacher. Die anderen Begriffe berücksichtigen nicht den wichtigsten Teil dieses Behandlungsverfahrens, die sakrale Deafferentation. Die gesunde Harnblase hat zwei Funktionen: Speichern (Reservoir) und Entleeren (Miktion). 99 % der Zeit ist die Blase ein Reservoir. Die Miktion ist eine kurzdauernde Funktionsphase mit Druckerhöhung, die max. 1 % der Tageszeit andauert. Das funktioniert durch ein fein aufeinander abgestimmtes Steuerungssystem in Zentren des Gehirn und des Rückenmarks. Dabei kommt es während der Blasenentleerung zu einer Kontraktion (Zusammenziehung) der Blasenmuskulatur mit Öffnung des Blasenhalses und gleichzeitiger Entspannung des äußeren Schließmuskels, so dass eine koordinierte, zügige und restharnfreie Entleerung stattfindet. 34 PARAPLEGIKER 2/10 Anders die gelähmte Harnblase: Nach Überwinden des spinalen Schocks mit schlaffer Lähmung aller Körperfunktionen ändert sich je nach Schädigungshöhe des Rückenmarks das Blasenlähmungsbild. Bei Schädigungen etwa vom ersten Lendenwirbel und darunter entwickelt sich eine schlaffe Blasenlähmung. Bei Schädigungen oberhalb kommt es zu einer spastischen Blasenlähmung. (Mischformen sind möglich.) Bei kompletter Lähmung ist die Steuerung über das Blasenreflexzentrum vollständig ausgefallen. Für die genaue Klassifizierung der Blasenlähmung ist die Video-Urodynamik das wichtigste diagnostische Werkzeug. q – querschnitt spezial Dies ist eine Kombination aus Blasendruckmessung und Röntgendarstellung der Harnblase mit Kontrastmittel. Eine spastische Blasenlähmung führt zur Reflexharninkontinenz. Dabei besteht ein erhöhtes Risiko von Harnwegsinfektionen (HWI) und längerfristig das Risiko der Schädigung der Nierenfunktionen. Es kommt zur spastischen Kontraktion des äußeren Schließmuskels (externer Sphinkter), so dass die Harnentleerung durch den Aufbau eines hohen Entleerungswiderstandes behindert oder sogar verhindert wird (Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie). Bei Querschnittlähmungen oberhalb von Th 6 können autonome Dysreflexien auftreten, d. h. es kommt durch die spastische Aktivität der Harnblase zu abrupten heftigen krisenhaften Blutdrucksteigerungen, meist verbunden mit Schwitzen und heftigsten Kopfschmerzen. Je nach Lebensalter bedeutet das ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Dies ist eine lebensbedrohende Situation. Solch eine autonome Dysreflexie gilt in der Neuro-Urologie als ein Notfall. Die Operationsmethode Brindley forschte 1969-1978 an der Entwicklung eines Implantates und der externen Steuerung zur Sakralwurzelstimulation, um so eine Implantat gesteuerte Blasenentleerung zu erreichen. Zu Beginn wurden die sakralen Vorder- und Hinterwurzeln soweit möglich nur voneinander getrennt, u. a. S 2 und S 3. Sauerwein war der erste Operateur, der die sensiblen Hinterwurzeln von S 4 und wenn notwendig auch von S 5 separieren konnte und durchtrennte, ohne dabei die motorischen Vorderwurzeln zu verletzen (Sept.1986). Die vollständige Separation und Durchtrennung der sensiblen Hinterwurzeln S 2 bis S 5 wird als sakrale Deafferentation bezeichnet (SDAF). Heute ist die SDAF und die SARS ein etabliertes Verfahren. Nach erfolgreicher SDAF von S 2 bis S 5 auf beiden Seiten wird die spastische Harnblasenreaktion vollständig ausgeschaltet (Prof. D. Sauerwein). Damit wird die Reservoirfunktion der Harnblase wieder hergestellt und Harnkontinenz erreicht. Durch das Einlegen von Elektroden in den offenen Wirbelkanal, in die die motorischen Vorderwurzeln gelegt werden, wird eine kontrollierte Blasenentleerung durch Elektrostimulation (SARS) möglich. Die angeschlossenen Elektroden werden hierzu mit einem unter die Haut platzierten Empfänger verbunden. Die Harnblasenentleerung erfolgt durch Auflegen des Senders auf die Haut exakt über dem implantierten Empfänger, der über die Kabel zu den Elektroden mit den Sakralnerven in Verbindung steht. Anzeige Testen Sie uns! Tel. 07131 570041 LEVO C3 Ergonomische Rücken und Sitzkissen Der Rollstuhl der Sie auf die Beine bringt! 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Die Blasenentleerung durch Triggern ist dann nicht mehr möglich. fortschreitender Verlust von Nie• Drohender, renfunktion und/oderReflexharninkontinenz häufig insbesondere fie• berhaftewiederkehrende, Harnwegsinfektionen strukturelle des unteren • Harntraktes Schädigungen (z.B. Christbaumblase) und/oder • • • des oberen Harntraktes (z. B. Harnstauung, Reflux) autonome Dysreflexie (Bluthochdruckkrisen) Fehlschlag konservativer Therapiemaßnahmen (anticholinerge Therapie und intermittierender Katheterismus) Fehlschlag minimalinvasiver Behandlungen (Schließmuskeleinkerbung bei querschnittgelähmten Männern, Botulinum-Toxin-AInjektionen (Botox®) mit intermittierendem Katheterismus) Patientenauswahl und sensibel komplette Quer• Motorisch schnittlähmung, (in Ausnahmefällen auch inkomplette Läsionen nach einer detaillierten neurologischen Untersuchung) Intakter sakraler Reflexbogen S2-S5: spastische Blasenlähmung Intakte Blasenmuskelfunktion: - normale Dehnungsfähigkeit der Harnblase - kein bindegewebiger Umbau der Blasenwand (Fibrosierung) - keine myogene Schädigung (keine Überdehnungsschädigung) Sicheres Langzeitkonzept der medizinischen und sozialen Versorgung des Querschnittgelähmten • • • 36 PARAPLEGIKER 2/10 Komplikationen Diese Darstellung kann und will nicht das notwendige Beratungsgespräch mit einem erfahrenen Neuro - Urologen ersetzen. Deshalb wird hier nur auf einige wichtige Komplikationmöglichkeiten eingegangen. Frühkomplikationen: Infektion - Trotz Beachtung von makellosen Hautverhältnissen, einer voroperativen Ganzkörperdesinfektion und einer perioperativen antibiotischen Prophylaxe sind bakterielle Infektionen im Operationswundgebiet und am Implantat nicht zu 100 Prozent zu verhindern. - Wenn es zu einem solchen Ereignis kommt, muss das Implantat entfernt werden, um Folgeerkrankungen, wie Hirnhautentzündung, Gehirnentzündung oder Knochenentzündung zu vermeiden. – Die Entfernung des Implantates führt zum Verlust der SARS, aber die Wirkung der SDAF wird nicht aufgehoben. Die Blasenentleerung muss dann durch Einmalkatheterismus stattfinden. - Nach Ausheilung der Infektion ist eine Neueinpflanzung eines Implantates möglich. Liquorfistel - Das Gehirn und das Rückenmark sind innerhalb der Hirnhäute schwimmend vor Stößen geschützt im Hirnwasser (Liquor) gelagert. - Die Elektrodenkabel werden durch eine Art “Schornstein“ hindurch aus dem Wirbelkanal ausgeleitet. Um den “Schornstein“ herum werden die Hirnhäute durch eine wasserdichte Naht verschlossen. - Kommt es hier zu einer Heilungsstörung, tritt Liquor aus (Liquorfistel). Eine Zweitoperation, um diese Fistel zu verschließen, kann erforderlich werden, sofern Kopftief lagerung nicht zu einem Spontanverschluss führt. Spätkomplikationen: Implantatdefekte (Spätkomplikation): - Defekte am Empfänger oder Kabelbrüche. - Geeignete Untersuchungen lassen Defekte des Steuergerätes und des Implantates unterscheiden. - Bei plötzlichem Funktionsausfall muss durch Einmalkatheterismus eine Überdehnungs • • • q – querschnitt spezial schädigung der Blasenmuskulatur vermieden werden. (Volumen kleiner als 500 ml!) - Je nach Art des Defektes kann durch Austausch des Empfängers, durch Kabelreparatur oder durch Einsetzen eines kompletten neuen Implantates die Funktion wieder hergestellt werden. Überdehnungsschädigung - Der Blasenfüllungszustand wird von Querschnittgelähmten nicht oder nur durch sehr unbestimmte Signale wahrgenommen. So kann es zur Überfüllung der Harnblase mit Überdehnung der Blasenmuskulatur kommen und die Blasenentleerung mittels SARS kann versagen. - Dann Einmalkatheterismus bis sich die Harnblase von der Überdehnung erholt hat. Dies kann Tage aber auch Wochen dauern. • Nachsorge Die erste Nachsorge findet 6 Monate nach der Operation statt. Meistens müssen die Stimulationsparameter sowohl für die Blasenentleerung als auch für die Stuhlregulierung nachjustiert werden. Im weiteren Verlauf sind regelmäßige jährliche Nachsorgeuntersuchungen anzuraten, um die vollständige SDAF und die regelrechte Funktion der SARS zu überprüfen und je nach Notwendigkeit Korrekturen vorzunehmen. Harnwegsinfektionen sind in aller Regel nur noch ein seltenes Problem. Es gibt in der Medizin leider keine Erfolgsquote von 100 %. Nach der letzten Auswertung der Bad Wildunger Ergebnisse in 2007 gelang eine vollständige Deafferentation in 95,2 % (464 Operationen). Die mittlere Blasenkapazität lag danach bei 476 ml. Bei 83 % der Patienten bestand Kontinenz. 95 % der Patienten nutzten die SARS für die Blasenentleerung und 91 % für die Stuhlregulierung. Die HWI-Rate fiel von 6,3 Infektionen pro Jahr vor Durchführung der SDAF auf 1,2 HWIs pro Jahr nach der Operation. Von allen Behandlungsmethoden bei spastischer Blasenlähmung infolge einer erworbenen Querschnittlähmung ist die SDAF und SARS die dauerhaft verlässlichste. Für eine erfolgreiche Diagnostik, Patientenauswahl, Durchführung der Operation und Nachbehandlung sowie auch für die Beherrschung von möglichen Komplikationen ist ein erfahrenes Team Voraussetzung. Der Autor und sein chefärztlicher Partner Dr. med. B. Domurath sowie das ganze Mitarbeiterteam stehen gerne zur weiteren Beratung zur Verfügung. Von allen Behandlungsmethoden bei spastischer Blasenlähmung infolge einer erworbenen Querschnittlähmung ist die SDAF und SARS die dauerhaft verlässlichste. Text: Dr. med. J. Kutzenberger Facharzt für Urologie Chefarzt Klinik für Neuro-Urologie An der Werner Wicker Klinik 34537 Bad Wildungen jkutzenberger@werner-wicker-klinik.de Anzeige Sportler haben bisher in Langenfeld /Rheinland mitgemacht 2300 Weik-Stift B u 10 Jahre cSc 5.09.2010 ng Die Teilnehmer der Menschenkette zeigen durch ihre Anwesenheit ihre Verbundenheit und Wertschätzung mit den Sportlern E& 4000 Jeder Sportler erhält diese ErinnerungsMedaille, dazu ein Badetuch oder T-Shirt. Anmeldung über Internet. Sportkategorien Radtandems Handbikes Liegeräder Inline Skater Einräder Tretroller Meter lange Menschenkette begrüßt um 13 Uhr alle Capps (Behinderte) und No-Capps q – querschnitt spezial „Querschnitt-Tuning“ aus Patientensicht (1): Der Brindley Aufklärung gehört heute standardmäßig zum Schulunterricht. Früher war das anders. Da erfolgte die auf der Straße, in der Schule, unter Freunden usw. Man kannte einen, der kannte einen, der wusste: Das kann so oder so sein oder auch anders… Aber genau das verunsichert bis heute viel zu oft auch Menschen, die das Leben mit einer Querschnittlähmung für sich zu organisieren haben. Halbwahrheiten, undefinierbare Ängste, Spekulationen und Fantasien blockieren deshalb manchmal Chancen, die der Fortschritt der Medizin ihnen heute ermöglicht. Beispiel Brindley: Vor sieben Jahren habe ich zu diesem Thema mit Unterstützung der Fachmediziner in den deutschen Querschnittzentren eine ausführliche Befragung von operierten Personen durchgeführt. Bis dahin waren in Deutschland ca. 700 Brindley-Operationen erfolgt. 101 Personen haben den ausgefüllten Bogen zurückgeschickt, also jeder siebte. Damit ist diese Befragung viel repräsentativer als jeder “Deutschlandtrend“ im Fernsehen. 93 von ihnen fanden ihre Entscheidung für die OP richtig. Sie würden sich auch erneut dafür entscheiden. In zwei weiteren, mir bekannten Fällen wurde die Erwartung – Entleerung der Blase mit Brindley – zwar nicht erfüllt, aber bei beiden war das nicht der eigentliche OP-Grund, sondern die Vermeidung von lebensgefährlichen Blutdruckspitzen bis zu 200/120 mmHg und mehr, die bei hoher Querschnittlähmung oft auftreten. Dieses Risiko wurde durch die OP beseitigt. Allerdings müssen beide jetzt trotz OP – also wie vorher – weiter katheterisieren. Das aber, weil sich der Blasenschließmuskel auch durch den Stimulator nicht davon überzeugen ließ, seine Aufgabe zu erfüllen, ohne die vorher benötigten zusätzlichen Medikamente mit allen Nebenwirkungen, die oft beim ISK (Intermittierender Selbstkatheterismus) erforderlich sind. ...Blutdruckspitzen bis zu 200/120 mmHg und mehr, die bei hoher Querschnittlähmung oft auftreten. Dieses Risiko wurde durch die OP beseitigt. 38 PARAPLEGIKER 2/10 Dem gegenüber stehen die vielen anderen Fälle, nämlich die Tetraplegiker, die nicht mehr fünf- bis sechsmal täglich mit Fremdhilfe katheterisiert werden müssen, sondern nur noch morgens Hilfe beim Kleben eines Kondoms benötigen (vielleicht noch nicht einmal das), weil sie ohne fremde Hilfe tagsüber mittels Brindley ihre Blase in einen Beinbeutel entleeren können. Da gibt es auch die Frauen die nicht mehr in permanent feuchten Windeln herumfahren müssen, weil die Nebenwirkungen der Medikamente zu stark wären und weil sie “bauartbedingt“ auch kein Kondom tragen können. Und da gibt es diejenigen, die viel auf Reisen sind und nicht für eine Woche Urlaub einen ganzen Karton Katheter mit einpacken wollen und, und, und... Weitere Gründe kann sich jeder selbst ausdenken. Ein ganz besonders wichtiger Aspekt darf nicht vergessen werden: Viele Menschen mit einer Querschnittlähmung quälen sich regelmäßig mit Harnwegsinfekten, die auf Dauer auch Blase und Nieren schädigen. Bei der Leerung der Blase durch den Brindley (vier- bis fünfmal täglich, bei Bedarf eventuell auch häufiger) infizieren sie sich nur noch sehr selten – meist ein oder zweimal im Jahr. Weil sie keine spastische Blase mehr haben geht es ihnen wie allen Menschen, auch ohne Handikap, die, oft ohne dass sie es bemerken, von Zeit zu Zeit einen Harnwegsinfekt haben, der ohne Antibiotika nach wenigen Tagen wieder von selbst verschwindet. q – querschnitt spezial Zeitgewinn Doch nicht nur die Versorgung der Blaseninkontinenz macht einen großen Schritt nach vorne. Auch die bei einer Querschnittlähmung fast immer vorhandene Inkontinenz des Mastdarms lässt sich mit einem Brindley wesentlich besser in den Griff bekommen. Auch wenn die Mediziner den Erfolg dabei grundsätzlich nicht versprechen (denn der Grund für die OP ist ja die Blaseninkontinenz) und nur davon sprechen, dass in zwei von drei Fällen auch die Entleerung des Darms vereinfacht wird, sehen nach dieser Umfrage die Zahlen ganz anders aus. Bei 90 % von ihnen haben sich die Zeiten, die sie dafür aufwenden müssen, erheblich verkürzt. Beispiele: Aus drei Stunden sind 30 Minuten geworden, aus zwei Stunden 10 bis 15 Minuten usw. Wer vorher jeden zweiten Tag eine Stunde für eine Sitzung einplanen musste freut sich darüber, dass es jetzt nur noch ca. 10 Minuten dauert, eine so kurze Zeit, dass sie gar nicht vorgeplant werden muss. (Da spreche ich aus eigener Erfahrung). Und dann gibt es auch noch die „Stufe III“... Die funktioniert manchmal, manchmal nicht und manchmal nicht zufriedenstellend. Dafür sollte man eine solche OP sicher nicht in Erwägung ziehen. Aber wie heißt es so schön: „Es spielt sich sowieso alles im Kopf ab“. Auch mit einer anderen Verunsicherung kann ich aufräumen: Wenn jemand sensibel inkomplett ist, kann im „Reithosenbereich“ eventuell noch vorhandene Sensibilität verloren gehen. Dass die Ärzte darauf hinweisen, damit man ihnen das später nicht zum Vorwurf macht ist verständlich. Aber ob es wirklich dazu kommt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Auch da spreche ich aus eigener Erfahrung. Wenn jemand sensibel inkomplett ist, kann im „Reithosenbereich“ eventuell noch vorhandene Sensibilität verloren gehen. Auf die Frage, was an der Brindley-OP und den Folgen negativ sei gab es bei der Umfrage – wenn überhaupt – überwiegend zwei Antworten: Erstens: Die drei Tage vor der OP, in denen der Darm mit literweise eklig schmeckendem Abführmittel ratzeputz geleert wurde. Da muss man einfach durch. Zweitens (aber das soll inzwischen besser sein): Der Ärger und die Angst wenn ein Stimuliergerät aus technischen Gründen ausfällt. Die Stimuliergeräte sind im Laufe der Zeit nicht nur sicherer geworden und fallen seltener aus. Inzwischen akzeptieren auch fast alle Krankenkassen, dass ein Brindley-Benutzer aus Sicherheitsgründen auch ein Zweitgerät zur Anzeige Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau Das qualifizierte Behandlungszentrum für Querschnittgelähmte im Süden Deutschlands zur • umfassenden Akutbehandlung bei Verletzungen und Erkrankungen des Rückenmarks • Frührehabilitation mit fachübergreifender ärztlicher Betreuung einschließlich der Neuro-Urologie • Behandlung aller lähmungsbedingten Komplikationen • lebenslange Nachsorge Ambulante Behandlung und umfassende Beratung über eine Spezialsprechstunde. Kontaktaufnahme: Telefon +49 (8841) 48-2940 Fax +49 (8841) 48-2115 e-mail dmaier@bgu-murnau.de Internet www.bgu-murnau.de q – querschnitt spezial Blasenentleerung braucht. Falls es Ärger mit der Kasse geben sollte: Als Rechtsbeistand der FGQ habe ich bisher alle Auseinandersetzungen zu diesem Thema zu einem positiven Ende führen können. Für eine Brindley-OP muss man erfahrungsgemäß fünf bis sechs Wochen Krankenhausaufenthalt einkalkulieren: Zwei bis drei Wochen Vorlauf mit allen möglichen Untersuchungen und ca. drei Wochen bis man wieder im Rollstuhl durch die Gegend fahren kann. Früher dauerte eine solche Operation acht bis zehn Stunden. Aber auch hier hat sich einiges geändert. Normalerweise benötigen die Operateure heute nur noch die Hälfte der Zeit, um zuerst die Sakralnerven ganz am unteren Ende der Wirbelsäule zu trennen und dann, im linken oder rechten Unterbauch, den stromlosen Empfänger zu implantieren. Die Stimulation erfolgt später durch einen kleinen Sender, ungefähr so groß wie eine Zigarettenschachtel, mit einem kleinen Sender, der auf die Bauchdecke aufgelegt wird und den Blasenschließmuskel aktiviert. Vier bis fünf Mal am Tag wird die Blase so völlig entleert und wenn man einmal mehr getrunken hat als üblich, schadet es auch nicht der Gesundheit falls man das dann öfter macht. Nur überdehnen sollte man die Blase auch bei der funktionellen Elektrostimulation nicht. Denn dann erschlafft sie im Laufe der Zeit. Aber wenn nur gelegentlich einmal mehr als die ärztlicherseits empfohlene Menge von ca. 500 bis 600 ml Blaseninhalt überschritten wird, passiert nichts – außer einem strengen Blick, den man zu erwarten hat, wenn man das bei dem obligaten jährlichen Check wirklich berichtet... Für eine Brindley-OP muss man erfahrungsgemäß fünf bis sechs Wochen Krankenhausaufenthalt einkalkulieren. Rechtsanspruch Die Angst vor der „Maschine“ im Bauch ist nur mental zu begründen. Denn sehen kann man den Empfänger von außen nicht und wer macht sich solche Gedanken bei einem künstlichen Hüftgelenk oder einer künstli- 40 PARAPLEGIKER 2/10 chen Herzklappe, die zu Tausenden implantiert werden? Nicht für jeden ist eine Brindley OP die optimale Lösung seiner Inkontinenzprobleme. Das hängt vom Einzelfall ab. Denn auch andere Lösungen wie z. B. Botox, ISK oder Urinalkondome haben ihre Vor- und Nachteile und ihre Berechtigung, in manchen Ausnahmefällen sogar Dauerkatheter (suprabubisch oder durch die Harnröhre). Vor einer Entscheidung sollte man aber immer unvoreingenommen informiert sein und diese dann zusammen mit den qualifizierten Medizinern einer Neurourologie getroffen werden, die Erfahrungen mit Querschnittlähmung haben z. B. in den Querschnittzentren mit eigener Neurourologie. Auf die Behandlung dort haben Querschnittgelähmte einen Rechtsanspruch (u. a. SG Freiburg Az S 11 KR 3430/04). Man sollte sich also von seiner Krankenkasse nicht zu einer Behandlung in einer “normalen“ Urologie drängen lassen, egal wo diese angesiedelt ist, nur weil die Kasse dadurch (kurzfristig) ein paar EURO spart. Zitat eines Tetraplegikers seit einem Unfall Ende der 80-er Jahre, der 2008 operiert wurde: „Hätte ich gewusst wie gut ich damit zurecht komme, hätte ich schon seit zwanzig Jahren einen Brindley. Aber ich habe die ganze Zeit nicht nur Positives gehört, sondern vor allem viel Negatives. Darum habe ich die Entscheidung immer wieder vor mir hergeschoben.“ Klar, denn die negativen Berichte kommen von den (wenigen) Leuten, bei denen es nicht geklappt hat oder bei denen falsche Erwartungen nicht erfüllt wurden. Die sind es vor allem, die man in der Klinik trifft. Denn die anderen kommen einmal im Jahr ambulant zu einem Check oder höchstens für ein paar Tage stationär. Und außerdem: Wie überall sind auch hier negative Geschichten viel interessanter als positive und damit sind wir wieder am Anfang: „Ich kenne jemand, der kennt jemanden...“ Text: Herbert Müller Anzeige medizin Stomaträger im Internet: Selbsthilfe einmal anders Das Internet ist als meistgenutzte Informationsquelle oft sehr unübersichtlich. Das gilt auch für das Thema Behinderung. In direktem Kontakt mit anderen Betroffenen lassen sich hilfreiche Fakten und Erfahrungen besser bewerten. V iele der großen Selbsthilfevereine nutzen das Internet als zusätzliches Angebot. Es haben sich aber auch ganz eigenständige Plattformen im Netz entwickelt. Zum Beispiel „stoma-welt.de“, eine Selbsthilfeplattform, die über das weitgehend tabuisierte Thema künstlicher Darmausgang und künstliche Harnableitung informiert. Stomaträger, deren Angehörige und Interessierte finden ein umfangreiches Informationsangebot, vom Basiswissen über Stoma und Stomaversorgung bis hin zu ganz alltäglichen Problemen wie Umgang mit der eigene Behinderung in der Familie und unter Freunden, Auswirkungen auf Beruf, Sport, Reisen usw. Virtuelle Selbsthilfe Und falls doch einmal keine Antwort zu finden ist, gibt es noch Stoma-Forum.de, Teil der Stoma-Welt. Eine virtuelle Selbsthilfegruppe, in der sich Stomaträger an sieben Tagen in der Woche, 24 Stunden am Tag treffen, Fragen stellen und Antworten geben und ihre Erfahrungen austauschen. Ein Treffpunkt für Stomaträger aus allen deutschsprachigen Ländern. Während es in vielen anderen Foren oft laut und ungemütlich zugeht, fühlt man sich dort gleich aufgenommen und verstanden. Denn hier treffen sich Menschen, die alle dasselbe durchgemacht haben. Wie wichtig solche Treffpunkte im Internet geworden sind, zeigen die Besucherzahlen auf Stoma-Welt.de. Im Moment sind es Monat für Monat mehr als 25 000 Besucher. Darunter nicht nur Stomaträger, wie sich die Betroffenen selbst nennen, sondern auch Angehörige, Pflegefachkräfte und andere Interessierte. Eine enorme Herausforderung für die ehrenamtlichen Helfer, die sich um Technik, redaktionelle Inhalte und Organisation kümmern. Professionalisierung Vor die Entscheidung gestellt entweder das in zehn Jahren Gewachsene für die Zukunft zu beschränken oder neue Wege zu gehen hat die Stoma-Welt sich für eine Zukunftsperspektive entschieden. die es in dieser Form bisher noch nicht gab. Getragen von einem gemeinnützigen Verein wird die Stoma-Welt in Zukunft von hauptberuflichen Mitarbeitern betrieben, redaktionell betreut und moderiert. Finanziert wird das Unternehmen überwiegend durch Sponsorenbeiträge der Hersteller und von bundesweit agierenden bzw. regional tätigen Homecare-Anbietern in jeweils gleicher Höhe. Zusätzliche Werbung ist nicht möglich. Niemand hat so die Chance, sich durch höhere Zahlungen einen Vorteil zu „erkaufen“. Die Plattform bleibt werbefrei, unabhängig und objektiv und ist damit für die Zukunft gerüstet, um für noch mehr Betroffene eine Anlaufstelle zu sein und das Internet für aktive Selbsthilfe einzusetzen. Denn mit der Änderung der Altersstruktur in der Gesellschaft geht auch eine intensivere Nutzung des Internets durch ältere Menschen einher. Text: Christian Limpert Kontaktdaten: Stoma-Welt e. V • Vorsitzender Christian Limpert Am Bettenheimer Hof 26 • 55576 Sprendlingen www.stoma-welt.de www.stoma-forum.de Falten, verladen und los geht´s! Vanessa Elster: Ich lebe ein aktives Leben, immer auf dem Sprung. Mein küschall ® Ultra-Light ist praktisch, leicht und im Handumdrehen in mein Auto verladen. Schon bin ich unterwegs! Sie finden einen Fachhändler ganz in Ihrer Nähe unter www.kueschall.com. Vertrieb in Deutschland durch: INVACARE ®AQUATEC GmbH Alemannenstraße 10 88316 Isny / Deutschland Tel. +49 (0) 75 62 / 7 00-0 E-Mail info@invacare-aquatec.com Web www.invacare-aquatec.de küschall® ist ein registrierter Markenname. Copyright© 2009, Küschall AG, Schweiz – Alle Rechte vorbehalten. medizin Phantomschmerzen: Training und Medikamente Rund 70 Prozent der Patienten leiden nach einer Amputation unter Phantomschmerzen. Am besten lassen sich diese Schmerzen behandeln, bevor sie chronisch geworden sind. Deshalb sollten Betroffene nicht die Zähne zusammenbeißen, sondern möglichst früh nach Behandlungsmöglichkeiten suchen. Der aktive Selbsthilfegruppen-Fachmann Egon Griebel hat kaum noch Phantomschmerzen. I m vergangenen Jahr befragten Forscher 537 Amputierte zu ihrer Lebensqualität. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht: • 56 Prozent der Befragten nehmen bis zu fünf Stunden am Tag messerstichartige, elektrisierende Schmerzen oder Kribbeln in ihrem amputierten Körperglied wahr • 28 Prozent empfinden diese Schmerzen sogar Tag und Nacht • 62 Prozent aller Amputierten leiden unter Schlafstörungen – unabhängig davon, ob sie Phantomschmerzen haben oder nicht. Nach der Operation können elektrische Stimulationsverfahren im Bereich des Amputationsstumpfes dabei helfen, die Entstehung von Phantomschmerzen zu verhindern. Auch eine gut sitzende Prothese ist ausgesprochen wichtig! Schmerzen verhindern Schmerzen sollte man nicht aushalten. Wer die Zähne zusammenbeißt, macht seine Situation nicht besser, im Gegenteil. Er riskiert, dass sein Körper ein Schmerzgedächtnis aufbaut, sich beim kleinsten Anlass an die negativen Gefühle erinnert und immer häufiger Schmerzen auftreten. Für Patienten vor einer geplanten Operation ist es wichtig zu wissen, dass man die Wahrscheinlichkeit von Phantomschmerzen senken kann: Je stärker die Schmerzen vor dem Eingriff sind, desto wahrscheinlicher ist es, 42 PARAPLEGIKER 2/10 dass nach der Operation Phantomschmerzen auftreten. Es ist also sinnvoll, Schmerzen schon ein paar Tage vor der geplanten Operation auszuschalten, beispielsweise durch eine Rückenmarks- oder Lokalanästhesie. Der Berliner Schmerzspezialist Dr. med. Jan-Peter Jansen empfiehlt in solchen Fällen dringend eine Kombination zwischen Allgemeinnarkose und Lokalanästhesie. Schlafstörungen verstärken übrigens das Schmerzempfinden und sollten auch aus diesem Grund behandelt werden, wenn Phantomschmerzen bestehen. Medikamentöse Therapie medizin Schmerztherapeuten sind sich heute einig, dass eine effektive Schmerztherapie möglichst früh und möglichst intensiv eingeleitet werden sollte. Die medikamentösen und begleitenden Möglichkeiten sind für den Laien unübersichtlich: Schmerzmittel alleine oder in Kombination mit Vitamin-B-Komplex und Folsäure können neuropathische Schmerzen – und dazu gehören die Phantomschmerzen – bekämpfen. Manche Therapeuten empfehlen auch die Kombination mit Psychopharmaka (Antidepressiva) oder Entspannungsmethoden. Medikamente, die direkt an den Nerven wirken, sind beispielsweise Antiepileptika wie Carbamazepin und Valproinsäure. Auch sie können positive Effekte haben. Je nach Schmerzintensität können bei Phantomschmerzen auch unterschiedlich starke Opiate verordnet werden. Schmerztherapeut Jansen findet hier die Zusammenarbeit zwischen Patient und einem in der Schmerztherapie erfahrenen Arzt besonders wichtig. Oft besteht eine unnötige Angst vor der Entwicklung von Abhängigkeiten. Es werden häufig Kombinationen verwendet, die einerseits aus Opioiden (morphinähnliche Stoffe) bestehen, andererseits aus Wirkstoffen, die zusätzlich die Empfindlichkeit der Nerven dämpfen können, die den Schmerz verarbeiten. Vitamine werden seiner Erfahrung nach als Schmerzmittel deutlich überschätzt. Bei rund 70-80 Prozent der Patienten mit Phantomschmerzen lassen sich mit dieser Methode die Schmerzen lindern. Nicht alle Menschen werden schmerzfrei, bei manchen hilft die Methode leider gar nicht. Aber Menschen wie Egon Griebel, der seit 40 Jahren doppelt beinamputiert ist, möchten nicht mehr darauf verzichten. Bei ihm begannen die Phantomschmerzen erst 20 Jahre nach seinem Unfall – und sie waren heftig: Am linken Bein beschreibt er einen knochenzerbrechenden Schmerz, am rechten ein Gefühl, als würden ihn 1000 Ameisen gleichzeitig beißen. Kein Wunder, dass er starke Schmerzmittel brauchte. Heute trägt er die Umbrellan-Liner oder Strümpfe und kommt fast ohne Medikamente aus. Anzeige & 0 123 453 673 &8 &( (& Methoden ohne Medikamente Umbrellan: Auf das Ausschalten elektromagnetischer Einflüsse bei der Entstehung von Phantomschmerzen setzen die Hersteller von Umbrellan. Dieses Material soll den Stumpf vor elektromagnetischen Einflüssen abschirmen und Phantomschmerzen ohne Nebenwirkungen reduzieren. Die Idee stammt übrigens von Prothesenträgern, die auf der Suche nach einer Lösung für ihre Phantomschmerzen den Stumpf versuchsweise in Alufolie eingewickelt hatten. Die Methode wirkte gut, sie berichteten darüber und stießen bei der Medi-Abteilung für Forschung und Entwicklung auf offene Ohren: Die Idee für die Umbrellan-Liner (medi relax) war geboren. 7( &( &(9( !"#!$ %& '() *+$ "" "###,+# -) &. ///& medizin Prof. E. Martin-Fiori (l) und Prof. D. Jeanmonod (r) am Kinderspital Zürich: Unblutige Hirnoperation mit Hochenergie-Ultraschall-System. Unblutige Hirnoperation: In der Zürcher Universitäts-Kinderklinik arbeitet ein interdisziplinäres Team von Neuroradiologen, Neurochirurgen, Neurophysiologen und Physikern mit einem neuen Hochenergie-UltraschallSystem für nicht-invasive neurochirurgische Eingriffe. Es geht also um Operationen, um chirurgische Eingriffe, bei denen kein Blut fließt. Die gebündelten Ultraschallwellen können den Schädel durchdringen, sodass kein Skalpell oder Bohrer nötig ist. Die Operation wird derzeit nur im Rahmen einer klinischen Phase-I-Studie durchgeführt, einer so genannten Machbarkeitsstudie. Seit 2008 wurden in diesem Rahmen einige Patienten mit neuropathischen Schmerzen (z.B. auch Phantomschmerzen) behandelt. Wenn man sich die Operation vorstellen will, muss man zuerst die Abläufe beim Phantomschmerz begreifen: Beim gesunden Menschen sendet die Peripherie (z.B. das Gesicht oder die Beine) regelmäßig Signale in die Schaltzentrale im Gehirn (Thalamus). Von hier aus werden die Signale koordiniert an die Hirnrinde weitergeleitet, die Rückantwort vom Großhirn wird wiederum an die Peripherie gesendet. Nach einer Amputation fallen diese normalen Impulse aus der Peripherie 44 PARAPLEGIKER 2/10 aus. Dadurch werden bestimmte Zentren im Thalamus unterbeschäftigt und sie beginnen, selbstständig falsche Signale an die Hirnrinde zu senden. An diesen Zentren im Thalamus setzt die neue Operationsmethode an: An einem Bildschirm peilen die Operateure um Prof. Ernst Martin millimetergenau den richtigen Punkt an, wo die Ursache für den Phantomschmerz sitzt. Durch die Kombination der MagnetresonanzBildgebung mit fokussiertem HochenergieUltraschall lassen sich nun diese Gebiete im Thalamus, die den Phantomschmerz verursachen, genau lokalisieren und mit Temperaturen im Zielgebiet von 55 bis 60° C präzise ausschalten. Wegen des Studiencharakters der Anwendung werden die Patienten von den Prüfärzten nach genauen, im Prüfprotokoll festgelegten Richtlinien ausgewählt und nachkontrolliert. „Es ist zu hoffen, dass diese Methode nach erfolgreichem Abschluss der laufenden Testphasen in naher Zukunft zur klinischen Anwendung gelangt, um vielen leidenden Patienten eine neue Hoffnung geben zu können“, so Prof. Ernst Martin. Spiegeltherapie: Mit einem Spiegel kann man die gesunde Körperseite spiegeln, so dass Anzeige man auf ein Bild von zwei vollständigen Körperhälften blickt. Dieser Trick spiegelt dem Gehirn vor, der amputierte Fuß oder die amputierte Hand wäre noch vorhanden. Diese Vorspiegelung falscher Tatsachen hilft vielen Patienten, die unter Phantomschmerzen leiden. Das lässt sich erklären: Der Phantomschmerz entsteht bekanntlich, weil aus dem amputierten Körperteil keine Signale mehr in Richtung Schaltzentrale (Thalamus) gesendet werden. Mit dem Spiegel lässt sich dem Gehirn aber vorgaukeln, dass die Hand oder der Fuß noch da ist. Die optische Wahrnehmung eines nicht amputierten Körpers sorgt dafür, dass eine Art Hilfssignale entstehen. Dieser Effekt lässt sich verstärken, wenn der Patient beispielsweise mit dem gesunden Fuß trainiert und dabei den gespiegelten Fuß beobachtet. Bei diesem Training kommt es nur darauf an, dass man Sinnesreize spürt: Sand unter der Fußsohle etwa, eine Haarbürste oder einen Igelball. Text: Ruth Auschra Fotos: medi, Auschra Weitere Infos • • • • • • Das „inzwischen sicherlich größte ambulante Schmerzzentrum Europas“, so der Gründer Dr. Jan-Peter Jansen. Positiv: Anfragen per eMail werden gerne und schnell beantwortet: www.schmerzzentrum-berlin.de In diesem Internetforum kann man alle Fragen zur Schmerztherapie stellen: http://forum.dgk.de http://www.stolperstein.com Auch Otto Bock hat selbstverständlich einen umfangreichen Internetauftritt (www.ottobock.de), wo man u.a. auf der Suche nach Adressen von Selbsthilfegruppen fündig wird. Ein Forum für Amputierte gibt es z.B. im Rahmen des Internetauftritts der Orthopädietechniker: www.otworld.de Der Internetauftritt von Medi ist unter www.stolperstein.com zu finden: viele Infos, vor allem (aber nicht nur!) über Medi-Produkte. markt Bauen-wohnen-renovieren: Alle Türen offen? Elektrische Garagentor-Öffner sind längst selbstverständlich. Nur bei Haus- und Wohnungstüren werden automatisierte Ein- oder Durchgänge noch als Luxus eingestuft. Dass barrierefreie Zugänge zu Gebäuden und Gebäudeteilen nicht nur für Körperbehinderte Vorteile bieten, die auf Gehhilfen oder Rollstuhl angewiesen sind, verdeutlicht eine Broschüre des Fachverbandes Türautomation (FTA): Wer einmal in der Situation war, eine manuelle Tür öffnen zu wollen und dabei beide Hände voll zu tun hatte (mit Koffer, Einkaufstasche, Kleinkindern), weiß, wo das Problem liegt. Eine manuelle Tür wird dann zu einem unüberwindbaren Hindernis. „In unserer Funktion als Fachverband empfehlen wir Hauseigentümern sowie Betreibern von Hotels, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen, im Zuge von Renovierung und Neubau den Qualitätsstandard der Barrierefreiheit mit automatischen Türsystemen sicherzustellen.“ Aufgrund ihrer teilweise hohen Bedienkräfte können manuelle Türen nicht nur für Körperbehinderte eine Barriere darstellen, sondern genauso auch für Ältere, Gebrechliche oder Kinder ein unüberwindbares Hindernis bilden, erst recht, wenn die Tür mit einem schwergängigen Türschließer ausgestattet ist. „Automatische Türen eröffnen hier ein entscheidendes Mehr an Lebensqualität.“ Für automatisierte Türen in Wohnungen und Privathäusern gibt es grundsätzlich zwei Bauarten: die automatische Schiebetür und die automatische Drehflügeltür. Durch die Vielfalt an gestalterischen und planungstechnischen Möglichkeiten können automatische Schiebetüren nicht nur als architektonisch perfekte Ergänzung an jedes Umfeld angepasst werden. Sie bieten auch größtmöglichen Komfort durch eine ausreichende Dimension mit einer Öffnungsbreite bis vier Meter. Darüber hinaus öffnen sich automatische Schiebetüren zuverlässig und geräuscharm. Eine selbstüberwachende Sensorik gewährleistet ein Höchstmaß an Sicherheit und Begehungskomfort nach DIN 18650 (Automatische Türsysteme). Mit allen erforderlichen Prüfzertifikaten ausgestattet, dürfen automatische Schiebetüren auch in Flucht- und Rettungswegen eingesetzt werden. Moderne Steuerungselektroniken lassen sich an alle möglichen Bedürfnisse optimal 46 PARAPLEGIKER 2/10 Architektonisch perfekt: Elektrisch öffnende Haustür. anpassen. Programmiert werden können so unter anderem je nach Jahreszeit unterschiedliche Türöffnungsweiten und -zeiten, um Warmluft drinnen und die Kälte ausgesperrt zu lassen. Drehflügeltür als Alternative Wenn aber Gänge nicht ausreichend breit sind, um automatische Schiebetüren zu installieren, bietet die automatische Drehflügeltür oft die einzige Möglichkeit, einen barrierefreien Zugang zu gewährleiten. In der Altbausanierung sind sie oft die einzig mögliche Lösung, um Gänge und Durchgänge barrierefrei zu gestalten und gleichzeitig alle Auflagen für Fluchtwege und Brandschutz zu erfüllen. Neben der Geschwindigkeit des Öffnens und Schließens lassen sich bei den Drehflügeltüren sämtliche Parameter für die örtliche Umgebung einstellen und an die Belange der Nutzgruppen anpassen. Der so genannte „Low energy”- und „Full energy”-Bereich bietet je markt nach Einbau- und Nutzersituation optimale Einstellmöglichkeiten. Damit sind Drehflügeltüren für den Einsatz in behindertengerechten Bereichen besonders geeignet. Sie können entweder über Taster gesteuert und betätigt werden, oder aber durch berührungslose Sensorik oder Funkfernsteuerung automatisch öffnen und schließen. Die berührungslose Sensorik bietet zusätzlich den Vorteil der absoluten Hygiene. Für komfortables Begehen sorgen Flügelbreiten bis 1,60 Meter. Der automatische Drehflügelantrieb kann auch in Flucht- und Rettungswegen eingesetzt und nach DIN 18650 baumustergeprüft und zertifiziert werden. Impulsgeber für automatisierte Türen arbeiten entweder automatisch oder manuell. Je nach Einsatzort können an ein und derselben Tür auch beide Typen an Impulsgebern miteinander kombiniert eingesetzt werden. Automatische Impulsgeber werden normalerweise an Türen installiert, die als öffentlicher Durchgang dienen. Manuelle Impulsgeber werden an internen Türen und in Situationen eingesetzt, in denen Personen mit den Örtlichkeiten vertraut sind. Sicherheit durch Sensoren Sensoren für Schiebetüren können feststellen, ob sich Personen oder Objekte in der Nähe der Tür befinden, und verhindern zuverlässig, dass diese von der sich schließenden Tür eingeklemmt werden. Auf Wunsch erkennen sie auch sich bewegende Personen oder Objekte, die sich im optimalen Näherungsbereich der Tür befinden. Radarimpulsgeber mit Richtungserkennung können sogar Personen, die sich der Tür nähern von jenen unterscheiden, die sich von ihr entfernen. Der Antrieb wird nur ausgelöst, wenn sich eine Person der Tür nähert. Auch Fotozellen lassen sich als Impulsgeber für automatische Türen oder als Erkennungssensoren einsetzen, die ein Schließen der Tür verhindern. Vor jedem Schließvorgang wird die Funktion der Fotozelle geprüft. Wenn ein Fehler erkannt wird, bleibt die Tür offen. Bei automatischen Drehflügeltüren verbessern Anwesenheits- und Aktivierungssensoren Sicherheit und Komfort. Durch den Sensor wird sichergestellt, dass die Tür automatisch geöffnet wird. Gleichzeitig wird jedoch eine unerwünschte Bewegung der Tür verhindert, falls der Sensor während des Öffnens ein Hindernis feststellt. Wird ein Hindernis während des Schließens festgestellt, öffnet sich die Tür erneut. Als manuelle Impulsgeber können unter anderem eingesetzt werden: Tastschalter zur Unter- oder Aufputzmontage im Innenbereich, Ellbogenschalter zur Aufputzmontage an Wänden, Schnurschalter zur Deckenmontage, Schlüsselschalter zur Unterputz- und Aufputzmontage, Trittschalter zur Aufputzmontage an Wänden, Tastplatten zur Unter- oder Aufputzmontage, Fernbedienung mit Audio-, Funk- oder InfrarotImpulsgebern. Text: Raimund Artinger Foto: Marie Artinger Anzeige Planungsbüro Peters Planen, Bauen und Wohnen ganz ohne Barrieren Wir stehen Ihnen zur Seite, wenn Sie Ihren Wohnraum barrierefrei gestalten möchten oder einen Neubau planen. 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Planungsbüro Peters Zum Rohland 8 | 59872 Meschede Fon +49 (0) 291 908 749 - 0 | Fax +49 (0) 291 908 749 - 29 kontakt@planungsbueropeters.com | www.planungsbueropeters.com kultur “ e n i e t s r e p l o H „ isse: n r e d Hin e n h o r Theate In Kooperation mit den „Singing Rollis“: Der nörgelnde Regisseur und seine Assistentin. ber die Büh rache rollt ü D er d en eg Ein furchterr s- Dieter. olle für Clau Eine Parader ß, dass Die Hexe wei sie sich im Kam „Holpersteine“ nennt sich selbstironisch eine Gruppe von Mitarbeitern der „Diakonische Leipziger gGmbH Diakonie am Thonberg“, die seit einigen Jahren mit Spaß an der Freud‘ und viel Engagement Theater spielt. Handikaps sind dabei kein Hindernis. 48 PARAPLEGIKER 2/10 pf rachen auf gegen den D D ihre Katze ve . rlassen kann en Zuschauern lief ein eiskalter Schauer den Rücken herunter, als plötzlich ein fürchterlicher Drache über die Bühne rollte. Alle bangten mit angehaltenem Atem um das Leben der kleinen Hexe, der Heldin des Stücks. Doch wie alle Märchen hatte natürlich auch dieses Stück ein Happy-End: Unter großer Gefahr besiegten die Haustiere der Hexe das gefährliche Fabelwesen. Den Drachen stellte Claus-Dieter dar. Der 50 jährige „Freizeitschauspieler“ arbeitet in einer Werkstatt der Diakonische Leipziger gGmbH Diakonie am Thonberg am PC. Doch seit etwa zwei Jahren schlüpft er immer, wenn es dort etwas zu feiern gibt, in eine andere Haut. „Zuerst habe ich den ‚Holpersteinen‘ beim Theaterspielen nur zugeschaut. Ich war davon aber so begeistert, dass ich schließlich fragte, ob ich auch mitspielen darf“, berichtet Claus-Dieter. ne: Natürlich durfte er. „Wir haben überlegt, welche Rollen Claus-Dieter übernehmen kann und wie wir ihn in das Ensemble integrieren können“, erläutert Matthias Troeger. Claus-Dieter ist aufgrund einer schweren Tetraparese auf den Rollstuhl angewiesen. „Handikaps sind bei uns keine Hindernisse“, so der Förderpädagoge und Mitarbeiter für Pflege und Assistenz in der Diakonie am Thonberg. „Wir sagen nie ‚es geht nicht‘, sondern überlegen immer wieder, wie es gehen könnte.“ Dabei werden die starken Seiten der Schauspieler individuell gefordert und gefördert. Wer zum Beispiel Schwierigkeiten hat, sich längere Texte zu merken, bekommt eine kurze oder sogar eine „stumme“ Rolle. Hat der Autor des Stücks solch eine Rolle nicht vorgesehen, wird sie einfach dazugeschrieben und in das Stück integriert. „Felix ist Spastiker. Damit er mitspielen konnte, haben wir ihn der Hexe als Hausgeist zur Seite gestellt“, erläutert der Spielleiter ein Beispiel. Durch das Spiel die Persönlichkeit weiterentwickeln Auch für Claus-Dieter entwickelte er zusammen mit Dipl.-Sozialpädagogin Carola Scheibe vom Begleitenden Dienst der Einrichtung und der Ergotherapeutin und Gruppenleiterin Ulrike Zeiler eine originelle Idee: „Mit großen Umhängen kultur kommen ins Rolle n Ein Frosch, ei n Vogel, ein Hund und di e Katze steh en der Hexe verwandelten wir seinen Rollstuhl in einen Drachenrumpf. Für Claus-Dieter bastelten wir eine furchterregende Maske.“ Weil der Akteur sich nur schwierig artikulieren kann, rezitierten der Spielleiter und Carola Scheibe hinter der Bühne für ihn den Text. zur Seite. Schauspielerei interessiert sich der junge Mann für Musik, Literatur und Filme. Nach einem PCAufbaukurs möchte Patrick eine kaufmännische Ausbildung beginnen. Anzeige Ungefähr vier Jahre ist es her, als die „Holpersteine“ im wahrsten Sinn des Wortes ins Rollen kamen. Carola Scheibe: „Bei der Vorbereitung des Sommerfestes 2006 beschlossen wir, das gesellige Beisammensein von über hundert behinderten Mitarbeitern durch Sketche etwas aufzupeppen.“ Noch besser – so die Überlegung – wäre es natürlich, wenn verschiedene Darsteller die witzigen Dialoge vortragen könnten. In den Werkstätten wurden nun einige Mitarbeiter gefragt, ob sie mitwirken möchten. Andere bewarben sich nach einer Einladung am Schwarzen Brett. Lifta in Ihrer Nähe: Kiel Hamburg Berlin Dresden Gera Leipzig Bremen Hannover Gelsenkirchen Frankfurt Mannheim Stuttgart Freiburg Ulm Nürnberg München … sowie in 80 weiteren Städten Zuhause mobil bleiben Sicher Treppenfahren Selbständigkeit erhalten Über 70.000 verkaufte Liftas Neu: Treppenlift-Finanzierung (8,9 % eff. Jahreszins) GUTSCHEIN „Es bildete sich ein harter Kern von etwa zehn Bühnendarstellern, die in Leipzig und Umgebung auch schon auf öffentlichen Veranstaltungen aufgetreten sind“, berichtet Matthias Troeger. Einige hätten aufgegeben, andere – ähnlich wie ClausDieter – seien erst später hinzugekommen. Auch Patrick ist ein „Newcomer“. Ursprünglich wollte der 24-Jährige bei den „Singing Rollis“ der Diakonie am Thonberg mitsingen. Doch dann überlegte er es sich anders: „Durch Theaterspielen kann man Erfahrungen machen und seine Persönlichkeit weiterentwickeln“, so Patrick. Aktuell spielt er im „Tierhäuschen“ den Fuchs. Neben der Lifta – der meistgekaufte Treppenlift Ja, schicken Sie mir meinen Prospekt – kostenlos und unverbindlich. Lifta GmbH, Abt. PA 27, Horbeller Straße 33, 50858 Köln kultur Jeder bringt seine Ideen ein Märchen, Kinderbücher und andere Quellen inspirieren das Ensemble immer wieder zu neuen Produktionen. „Ich verstehe mich nicht als Starregisseur, sondern jeder Akteur soll sich und seine Ideen aktiv einbringen“, unterstreicht Matthias Troeger. Für das nächste Sommerfest hat sich das Ensemble etwas ganz Besonderes ausgedacht: Die Schauspieler sollen Filmplakate in Szene setzen und sich fotografieren lassen. In der Abteilung für Mediengestaltung der Diakonie am Thonberg sollen die Fotos dann als Vorlagen für ein Quiz bearbeitet werden. Natürlich diskutieren die Mimen nun darüber, wer vor der Kamera welchen Filmstar wie in welchem Kassenschlager mimen soll. Für Steven und einige andere männliche „Holpersteine“ ist „Krieg der Sterne“ ein Thema. Der 22-Jährige stand ebenfalls schon als Schüler auf den Brettern und ist seit Ende 2007 Ensemblemitglied. Im „Tierhäuschen“ gibt er den Hahn. Ein anderes Mal übernahm er die Rolle eines Puppen- Nach dem Happy-End 50 PARAPLEGIKER 2/10 präsentiert sich das spielers, der im Umgang mit Stabpuppen einiges Geschick bewies. Tolle Idee, für das Plakat eines Science-Fiction-Films zu posieren, meint Steven. Doch wie kann man die Szene mit möglichst einfachen Requisiten darstellen? Die Schauspieler haben bis zum nächsten Übungsnachmittag in einer Woche einige harte Nüsse zu knacken. Auch Falk findet den „Krieg der Sterne“ echt cool. Der 24-Jährige ist rhetorisch sehr gewandt. Kein Wunder, dass er bei den „Holpersteinen“ schon fast ein „Urgestein“ ist. Im „Tierhäuschen“ verkörpert er den Bär, der zusammen mit dem Fuchs und dem Wolf in ein Haus eindringt, in dem der Igel, die Maus, der Hahn und der Frosch friedlich zusammenleben. Die Moral von der Geschichte: Ähnlich wie seinerzeit den Bremer Stadtmusikanten gelingt es auch in diesem Stück den schwächeren, aber klugen Tieren, die Störenfriede zu vertreiben. Text: Reinhard Wylegalla Fotos: Diakonie am Thonberg Ensemble dem appla udierenden Publikum. kultur Karikaturen von Philipp Hubbe in Heidelberg Gefesselt und geknebelt Kann man die Situation von Behinderten in Karikaturen darstellen? Man kann, ganz ohne Peinlichkeiten und mit erfrischender Komik. Das beweist jedenfalls der selbst mit einer Behinderung lebende Cartoonist Philipp Hubbe, dessen Arbeiten in einer Ausstellung in Heidelberg zu sehen waren. „Wie geht es ihm?“ fragt die Dame mit Knautschhütchen und Handtasche, hinter vorgehaltener Hand und mit besorgter Miene. „Er“, dem die Frage gilt, sitzt im Rolli und ist durchaus wachen Geistes. Aber die nette Dame fragt lieber über ihn hinweg seinen Begleiter, der hinter dem Rolli steht. Die Antwort des tatsächlich Gemeinten lässt nicht lange auf sich warten: „GUT! Wenn Sie mich so indirekt fragen“, schreit „er“ durch die Flüstertüte. Und die herzensgute Dame verliert darob vor Schreck ihre Contenance. Philipp Hubbe spießt mit Karikaturen wie dieser Alltäglichkeiten auf, die im Leben von Behinderten (immer noch) eine Rolle spielen: Zum Beispiel auf einer falschen Ebene angesiedeltes „Verständnis“ und Mitgefühl“ von Fußgängern für Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder, wie es hartnäckig in den Medien zu lesen oder zu hören ist, „an den Rollstuhl gefesselt“ sind. So als ob sie mit dicken Seilen bis oben hin zugeschnürt seien – auch dieses Bild lässt sich der Cartoonist nicht entgehen, steckt dem Rolli sogar noch einen Knebel in den Mund und veranlasst zwei ältere Damen zu den mitleidsvollen Worten: „Schlimm, so an den Rollstuhl gefesselt“. Präsentation mit Schwächen Mehr Beispiele von Philipp Hubbes bestürzend gültigen und erfrischend komischen zeichnerischen Übertreibungen waren kürzlich in einer Ausstellung in Heidelberg zu sehen, die der Beirat für Menschen mit Behinderungen (bmb) der Stadt unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Eckart Würzner im Kundenzentrum der RheinNeckar-Verkehr GmbH (RNV) am Hauptbahnhof veranstaltete. Den Hintergrund bildeten die vom Beirat organisierten Heidelberger Aktionstage 2010 von Menschen mit Behinderungen. Das kommunale Gremium vertritt – beratend – die Interessen der über 20 000 in Heidelberg lebenden Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung. Dass man als Ausstellungsort das Kundenzentrum der Straßenbahn- und Busverkehrsbetriebe gewählt hat, mag seinen Grund darin haben, dass in Heidelberg schon seit längerem ein relativ PARAPLEGIKER 2/10 51 kultur gutes Angebot für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste besteht. Busse sind in der Regel mit Rampen und Rollstuhl-Liften ausgestattet, und in den letzten Jahren wurden die älteren Straßenbahnen mehr und mehr durch Niederflurfahrzeuge ersetzt. Auch die Anzahl der Hochbahnsteige (30 Zentimeter) hat zugenommen, während hingegen der zentrale Umsteigeort der Stadt, der Bismarckplatz, immer noch voller Barrieren ist. Hier geschieht seit Jahren – nichts. Schwarzer Humor mit Behinderten? Das geht doch nicht, werden manche sagen, die sich dem reichlich überflüssigen Begriff der „political correctness“ verpflichtet fühlen. 52 Die Ausstellung zeigt 14 Karikaturen von Philipp Hubbe, leider nicht im Original, sondern nur als Ausdruck von Dateien – von einer künstlerischen Präsentation darf man mehr erwarten. Zudem haben die Veranstalter die Exponate recht phantasielos gehängt und auf die Vorder- und Rückseite zweier Stellwände verteilt, die wie Info-Wände in der Mensa aussehen. Der besondere Humor Hubbes bleibt trotz solcher Hindernisse glücklicherweise nicht auf der Strecke. Er ist nicht selten schwarz, was dem Gegenstand keineswegs abträglich ist. Schwarzer Humor mit Behinderten? Das geht doch nicht, werden manche sagen, die sich dem reichlich überflüssigen Begriff der „political correctness“ verpflichtet fühlen. Philipp Hubbe antwortet solchen Bedenkenträgern auf seine (entwaffnende) PARAPLEGIKER 2/10 kultur Weise, nämlich mit einem Cartoon, auf dem der Zeichner entgegnet „Äh…wäre grün besser?“ „Stehplatz oder Sitzplatz?“ Mit seinen spezifischen Mitteln – spitzer Feder, genauer Wahrnehmung und hintergründigem Witz – lenkt er in gekonnter Weise die Blicke auf etwas, das vielen Menschen im Umgang mit Behinderten gar nicht bewusst ist. „Stehplatz oder Sitzplatz?“ fragt die Kassenfrau den Rolli am Eingang zum Fußballstadion. Treffender kann die karikaturistische Aussage über unsere alltägliche Gedankenlosigkeit kaum sein, und sie umgeht die belehrende Geste. Hubbe nimmt mit seinen Arbeiten aber nicht nur das Verhalten der Umwelt der Behinderten aufs Korn, sondern treibt seinen Humor auch mit sich selbst und seiner eigenen Behinderung. 1985 erkrankte er an Multipler Sklerose. Freunde und Kollegen ermutigten ihn, die Krankheit zum Thema von Cartoons zu machen. So entstand etwa jener mit dem Titel „MS Rainer“: Bei der Mitteilung, er habe „MS“, hält der Patient das zunächst für die Abkürzung von „Motorschiff“ und phantasiert dazu den Namen Rainer, bevor der Arzt ihn aus seinem Traum mit bereitgestellten Rolli und Krücken unsanft weckt. Die Selbstironie ist in diesem Fall auch (s)eine Stärke. Und Hubbe bezieht auch Blinde, Prothesenträger und Taubstumme in seine Karikaturen mit ein, ohne bestimmte Grenzen zu überschreiten. Hinter den Zeichnungen steckt ein Augenzwinkern, nie ein bloßes Sich-LustigMachen. Vorrangiges Ziel des Veranstalters der Ausstellung, des Beirates von Menschen mit Behinderungen, ist es generell, den Dialog zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen zu verbessern. Die eher lieblos gemachte Präsentation der Karikaturen, an der der Künstler selbst nicht beteiligt war, lud nicht unbedingt dazu ein. Text: Arndt Krödel Illustrationen: Philipp Hubbe Philipp Hubbe Der Karikaturist wurde 1966 in Haldensleben (Sachsen-Anhalt) geboren. Nach Abitur, Grundwehrdienst und abgebrochenem Mathematikstudium in Magdeburg arbeitete er in einem Keramikwerk und als Wirtschaftskaufmann, war aber nach eigenen Worten „eigentlich schon immer Zeichner“. In dieser Funktion ist er regelmäßig für Tageszeitungen, Zeitschriften und Anthologien sowie für den MDR und ZDF-online tätig. Auszeichnungen: 3. Preis des Deutschen Preises für die politische Karikatur (2002), Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe (2006). Verschiedene Buchveröffentlichungen, zuletzt 2009 „Das Leben des Rainer – Behinderte Cartoons 3“. Zahlreiche Ausstellungen, darunter mehrfach „Mit Behinderungen ist zu rechnen“. Anzeige ƌ ŐĞ ƵŶĂďŚćŶŐŝ /ŚƌŵĂƌŬĞŶ ŵƌƺƐƚĞƌ͘ ŐƵ ĞƵ ƌnj Ś &Ă /ŚƌĞ ŶƐƉƌĞĐŚƉĂƌƚŶĞƌ͗ ^/,Z d WZ/^tZ /' ^ ^ hsZ> &ƌĂŶŬZƂƐŶĞƌ dĞů͘ ϬϮϭϳϯͲϮϬϰϰϲϮϬ DŽďŝů ϬϭϳϲͲϵϲϵϳϭϭϭϵ /E&,DK/>^/E͘ ,ĂŬŬŝzĂǀƵnjLJĂƐĂƌ dĞů͘ ϬϮϭϳϯͲϮϬϰϰϲϭϳ DŽďŝů ϬϭϳϲͲϵϲϵϵϰϬϱϬ /^W/>͗ ,ĂŶĚďĞĚŝĞŶƵŶŐΘƌĞŚŬŶŽƉĨ Ăďϭ͘ϰϵϵ͕ϬϬƵƌŽΎ Ύ/ŶŬů͘ŝŶďĂƵ͕Dǁ^ƚ͘ƵŶĚdms͘ DŽĚĞůůĂďŚćŶŐŝŐ͘DĂĐŚďĂƌŬĞŝƚǀŽƌƌĂƵƐŐĞƐĞƚnjƚ͘ /DK/>/dd^DEh&<dhZ ĞŚŝŶĚĞƌƚĞŶŐĞƌĞĐŚƚĞƌ&ĂŚƌnjĞƵŐďĂƵnjƵŵŶĨĂƐƐĞŶ͊ hĚŽ^ƉćŬĞƌ dĞů͘ ϬϮϭϳϯͲϮϬϰϰϲϭϱ DŽďŝů ϬϭϳϲͲϵϲϵϵϴϬϭϰ KADOMO ® ,/EZdE'Z,d&,Zh' <KDK'ŵď,ͻŵ<ŝĞƐǁĞƌŬϮͻϰϬϳϴϵDŽŶŚĞŝŵĂŵZŚĞŝŶͻdĞů͘ϬϮϭϳϯͲϮϬϰϰϲϬϬͻǁǁǁ͘<KDK͘ĚĞ technik Audi A5 Sportback TDI quattro mit VEIGEL-Technik Praktische Eleganz Der klassische Audi-Slogan „Vorsprung durch Technik“ wird beim A5 Sportback TDI quattro eindrucksvoll bestätigt: Das Auto ist technisch ausgereift, sicher und ausgesprochen schön – wenngleich letzteres natürlich Geschmacksache ist. Elegantes Auto mit vielen technischen Qualitäten: Der Audi A5 Sportback. S VEIGEL-Classic-Handbedienung mit Commander, ab Werk lieferbar. Das sportliche Cockpit zeigt u.a., wenn Fahrertür und Heckklappe geöffnet sind. Sicher ist sicher: Einsteckbare Pedal-Abdeckung von VEIGEL. 54 PARAPLEGIKER 2/10 chönheit hin oder her, wichtig bei einem Auto ist letzthin immer noch, wie man mit ihm fahren kann. Und da gab es bei der 185 Kilometer langen Fahrprobe in Städten und Dörfern, auf Autobahnen, Bundes- Landstraßen und Feldwegen, mit guten Belägen, aber auch mit Schlaglöchern oder Schotter grundsätzlich sehr gute Erfahrungen. Für jemanden wie mich, der Zweitürer mit breiten Türausschnitten und weit zu öffnenden Türen gewohnt ist, gibt es beim Einstieg in den Viertürer Probleme. Mit dem Übersetzen klappt es trotz des engen Raumes noch einigermaßen, zum Auseinandernehmen des Rollstuhls fehlt es dann aber ebenso deutlich an Platz wie beim Zusammenbau vor dem Aussteigen. Zudem wäre es bei der Enge sehr sinnvoll, die ausgeprägten Seitenschweller abzukleben und der sehr elegant wirkende weiße Dachhimmel sollte besser schwarz sein: ansonsten werden bald unschöne Rollstuhl-Spuren die Schönheit dieses Autos mindern. Wenn man dann aber den Rollstuhl leicht hinter den durch die spezielle VEIGELTechnik modifizierte und damit weit vor- klappbare Lehne des Beifahrersitzes verstaut hat, beginnt der Genuss. Der vielfältig verstellbare Leder-Fahrersitz ist ausreichend bequem und bietet guten Seitenhalt. Wenn man sich dann im Innenraum umschaut, ist man zunächst verwirrt durch die Vielzahl der Hebel, Knöpfe, Schalter, Tasten und Anzeigen. Eine kurze Einweisung und eine gemeinsame 40-Kilometer-Fahrt mit dem Überbringer des Autos, dem Fahrlehrer Dieter Hendel aus Kupferzell im Schwäbischen brachte Klarheit über die wichtigsten Bedienelemente. Den Rest der logisch selbsterklärenden Audi-Technik habe ich dann schnell begriffen. Der A5 hat eine schlüssellose Bedienung für Türen, Heckklappe und Anlasser. Der Schlüssel kann also sicher in irgendeiner Tasche der Kleidung oder an einem Umhängeband verwahrt werden. Gestartet wird, indem man die Bremse betätigt – in diesem Fall mit der aus vielen Gründen sicheren und bequemen „Classic“-Handbedienung von VEIGEL – und dann den auf der Mittelkonsole angebrachten Starterknopf drückt. Leise und spurtstark Dass der Motor ein Diesel ist, hört man kaum, das Leerlauf-Geräusch ist eher leise. Man zieht dann den Wählhebel auf der Mittelkonsole in die Automatik-Position und technik der Audi fährt an, langsam oder gleich im Spurttempo, je nachdem, wie schnell und wie weit man den ergonomisch gut in der Hand liegenden Griff der Handbedienung um die eigene Achse dreht. Auffällig ist die absolut ruckfreie schaltende Automatik beim Wechseln der sieben Vorwärtsgänge, man merkt dies lediglich am gut ablesbaren Tourenzähler. Der liegt gleichgroß zum Tacho im Blickfeld, dazu wechseln situationsbedingt etliche andere Anzeigen und nützliche Informationen auf einem Display zwischen diesen beiden Instrumenten. Der Audi war der erste moderne Diesel-PKW, mit dem ich gefahren bin. An eher hochdrehende Benziner gewöhnt, war ich geradezu verblüfft über die niedrigen Drehzahlen, mit der sich dieses Auto bewegte. Bei ruhigen 80 km/h im Automatik-Modus wurden teilweise nur 1 200 Touren angezeigt. Es gibt bei diesem Auto aber auch die Möglichkeit, manuell mit dem DoppelkupplungsGetriebe (DSG) zu schalten, ohne eine Kupplung betätigen zu müssen. Das wird erreicht, indem man den Wählhebel aus der Automatik-Stellung einfach nach rechts drückt. Man kann dann mit dem Wählhebel bis zum siebten Gang hoch oder in den ersten runterschalten. Ein Überdrehen des Motors ist aber durch rechtzeitiges automatisches Hochschalten unmöglich. Der rote Bereich des Drehzahlmessers beginnt bei 4 500 Touren. 5 000 werden bei Vollgas extrem schnell erreicht, wofür Anzeige man die VEIGEL einfach bis zum Anschlag dreht. Die 100 km/h wurden gefühlt schneller erreicht als in den vom Werk angegebenen 6,3 Sekunden, die Le Mans-Diesel-Siege von Audi grüßten freundlich. Interessant dabei ist, dass so ein extremer Spurt total unspektakulär erfolgt. Keine durchdrehende Räder beim Quattro, kein brüllendes Motorgeräusch. Das überragende Spurtvermögen Die umgebaute Beifahrersitzlehne lässt sich leicht und weit umlegen. des Audi ermöglicht neben der Freude daran auch das schnelle und damit sichere Überholen anderer Fahrzeuge. Die von Audi angegebene Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h habe ich nicht getestet, zweifle allerdings aufgrund der anderen Werte aber nicht daran. Ausgesprochen praktisch kann das mit dem Tempomat gekoppelte Abstand-Radar sein, so technik beispielsweise bei Kolonnen-Fahrten, ruhigen Fahrten auf der Autobahn oder in Staus. Ich habe diese leicht zu bedienende Technik mal auf etwa 20 Kilometern hinter einem Lastzug auf einer kurvenreichen Bundesstraße getestet, es war faszinierend. Die eingestellten etwa 20 Meter zum Lastzug wurden eingehalten, auch bei einigen Ortsdurchfahrten, in einem engen Kreisverkehr und einer 90-Grad-Kurve. Angenehm ist auch die Spracheingabe, mit der man beispielsweise das sehr gute Navi des Audi während der Fahrt sicher bedienen kann. Die weit öffnende Kofferraumklappe kann mit dem Spannrollen-Gurt von VEIGEL zugezogen werden. Technische Daten Motor 6-Zyl.-Diesel, 240 PS / 176 kW Getriebe 7-Gang-Automatik (DSG) Länge/Breite/Höhe 471/185/139 cm Leergewicht 1 720 Kilo Wendekreis 11,5 Meter Spurt auf 100 km/h 6,3 Sekunden Höchstgeschwindigkeit etwa 250 km/h Tank-Volumen 64 Liter Praxis-Verbrauch 6-7 Liter Diesel 56 PARAPLEGIKER 2/10 Auf den kurvenreichen und kaum befahrenen Straßen in der hügeligen Umgebung von Bad Wildungen lernt man die sicheren Qualitäten des Quattro-Fahrwerks schätzen. Selbst schnell gefahrene Bergab-Kurven werden gemeistert, ohne dass die Hände an dem nur 38 Zentimeter Durchmesser messenden und sehr griffigen Leder-Lenkrad feucht werden. Man kann im Audi durch einfachen Druck auf Mittelkonsolen-Tasten unter drei Fahrprogrammen für Motor, Getriebe, Lenkung und Dämpfung wählen, auch während der Fahrt. Die Stufe COMFORT erklärt sich durch den Namen und bietet komfortables Fahren auch auf schlechten Wegstrecken. Im Modus DYNAMIC wird der Straßenzustand spürbar, was bei sportlicher Fahrweise durchaus Freude machen kann. Dazwischen liegt der AUTO-Modus. Gut bedienbar Wirklich komfortabel und zudem sicher ist die Classic von VEIGEL. Der Unterarm kann ruhig auf der Mittelkonsole ruhen, zum Gasgeben wird lediglich das Handgelenk gedreht. Den linken Ellenbogen kann man – mit der Hand am Lenkrad – entspannt auf die Konsole der Fahrertür legen. Praktisch und ein Beitrag zur Sicherheit ist der in die VEIGEL-Classic integrierte „Commander“, mit dem sich Blinker, Warnblinker, Scheibenwischer und Lichthupe sehr einfach schalten lassen. Gut bedienbar ist das Navigations-System im Audi. Direkt im Blickfeld hat man beispielsweise die Kilometer-Angaben bis zur nächsten Abbiegung und bis zum Ziel, dazu die berechnete Ankunftszeit. Die aktuelle Position und die noch zu fahrende Strecke kann man auf der Farbkarte im großen Bildschirm gut erkennen. Praktisch ist auch die zentral sichtbare Anzeige der noch zur Verfügung stehenden Kilometer. Die komplette Tankfüllung reicht bei normaler Fahrweise für annähernd 1 000 Kilometer, so dass man sich nicht so oft über die hohen Spritpreise ärgern muss. Eine bemerkenswerte Sicherheits-Technik des Audi bei Autobahn-Fahrten ist eine in den Außenspiegel-Haltern angebrachte Leuchtanzeige. An der sieht man, wenn sich ein Fahrzeug links oder rechts im toten Winkel des Spiegels befindet und deshalb nicht sichtbar ist. Wenn man dann den Blinker in diese Richtung setzt, wird man durch schnelles Blinken der Anzeige auf die Gefahr des Fahrbahnwechsels hingewiesen. Und auch eine weitere Innovation ist interessant, die „elektromechanische Parkbremse“. Betätigt wird sie praktischerweise mit einem Schalter auf der Mittelkonsole. Wer den Audi A5 Sportback bestellt, kann ihn im Audi-Werk in Ingolstadt direkt mit den VEIGEL-Aggregaten ausrüsten lassen und komplett umgerüstet geliefert bekommen. Dies hat den Vorteil der vollen Audi-Garantie, auch für die VEIGEL-Aggregate. Bei anderen Herstellern entfällt die Garantie, wenn bei Fremd-Umrüstungen die Elektronik berührt wird. Ein Auto wie der Audi A5 Sportback TDI quattro ist nicht zum Schnäppchenpreis zu haben. Umfassende Informationen über Audi und den hier vorgestellten A5 Sportback und die individuelle Zusammenstellung mit allen Extras und Preisen gibt es im „Konfigurator“ bei www.audi. de. Der dann ermittelte Preis kann aber um 15 Prozent reduziert werden, bei Audi gibt es Rolli-Rabatt. Informationen über die Rolli-Produkte von Veigel sind bei www.veigel-automotive.de zu sehen. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Audi seinen Ansprüchen hier voll gerecht wird. Zwar ist ein Viertürer nicht das ideale Auto für diejenigen, die ihren Rollstuhl selbst verladen, aber Audi hat natürlich auch viele sehr attraktive Zweitürer, bis bin zum sagenhaften R8... Text & Fotos: Hermann Sonderhüsken hilfsmittel Sitzkissen Hybrid Elite von Etac: Das Beste aus zwei Welten Es gibt behinderte Menschen, die für ihren Rollstuhl kein Spezialkissen brauchen. Die meisten aber sind dringend darauf angewiesen. Dafür gibt es viele Gründe. E rst einmal m u s s das Kissen im Rollstuhl Druck aufnehmen und verteilen. Wir wissen alle, dass Sitzen auf Dauer nicht optimal ist, aber schließlich wird nicht danach gefragt, wenn ein Mensch durch eine Behinderung auf den Rollstuhl angewiesen ist. Die Unterseite unseres Gesäßes ist eben nicht flach und leider oft auch nicht optimal gepolstert. Es gibt da Problemzonen in Form der Sitzbeinhöcker, der beidseitig unteren scharfen Knochenenden unserer typisch menschlich unvollkommenen Hüftkonstruktion. Hier und evtl. noch am Steißbein baut sich Druck auf, der bei Nichtbeachtung zu bösen, im Endergebnis dann lebensbedrohlichen Hautschäden (Dekubitus) führen kann. Leider ist es hier nicht getan nur ein weiches Ruhekissen unterzulegen. Das sitzt sich durch und das Ergebnis ist am Ende ebenso ungesunde Härte. Zur Druckvermeidung bewährt hat sich das ROHO-Kissen. Es reduziert auch die im Geheimen wirkenden Scherkräfte, die vergleichbar sind mit denen, die einen Luftballon platzen lassen, wenn man ihn mit den Händen walkt – so was kann also nicht gesund sein. Der hintere Teil des neuen Hybrid-Kissens sieht aus wie ein ROHO – zum größten Teil diese gummiweichen, aber formspitzen Kegel, die voll aufgeblasen Schokoküssen ähneln. Um den Druck optimal zu verteilen wird aus dem vorher mittels mitgelieferter Luftpumpe gefüllten Kissen Luft abgelassen, bis nur noch gut ein Fingerbreit Raum zwischen dem am tiefsten liegenden Knochenende und Sitz liegt. Dieses Verfahren erfordert eine fachliche Einweisung! Die Jay-Technik ist beliebt bei Rollstuhlnutzern, denen es auf Druckverteilung und Sitzstabilität ankommt, zum Beispiel im Sport. Viele verwenden es aber auch im Alltag. Die Sitzschale besteht aus festem haltgebendem Schaumstoff. Dazu kommen je nach Modell Auflagen, die mit einem „Fluid“ gefüllt sind, das sich der Körperform anpasst, aber nicht fließt, sondern etwa wie Sand am Strand eine angepasste Form einnimmt und hält. Dadurch entsteht eine unterstützende Sitzauflage, die auch den Druck gut verteilt. Zwischen diesen beiden Sitzsystemen gibt es keine Qualitätsunterschiede. Sie sind beide gut durchdacht und funktionieren. Worauf man langfristig besser sitzt kann nur die eigene Erfahrung aussagen. Vom Konzept her bringt ROHO optimale Entlastung bei gleichzeitig guter Hinterlüftung, Jay Druckverteilung bei stabiler Positionierung. Eigentlich logisch, dass in der Praxis daraus ein gutes gemeinsames Konzept werden kann. Nach einigen Wochen Sitzprobe kann ich das bestätigen. Die Jay-Sitzschale ist ergonomisch sinnvoll ausgeformt und führt zu aufrechter Haltung. Die ROHO-Auflage nimmt jeden Druck von den Knochen. Es wird nie ganz einfach sein, die richtige Menge Restluft im ROHO zu lassen, das muss man üben. Wenn man nicht ganz gerade sitzt werden sich Auflagen beim Jay mit der Zeit verschieben, gelegentliche Kontrolle (spätestens beim Bezugwechsel) ist also angesagt. Die Kombination beider Systeme ergibt tatsächlich ein Kissen, das den Titel „Das Beste aus zwei Welten“ verdient. Das „Hybrid Elite TM“ entlastet die Haut und gibt untadeligen Halt. Schön, dass die beiden Konzepte zueinander gefunden haben. Vertrieb: Etac GmbH, Marl. Garantie 24 Monate, Preis 490 €, zzgl. MwSt. Infos unter www.etac.de. Text: Peter Mand Foto: Hersteller PARAPLEGIKER 2/10 57 bericht Abmeldungen bei betreutem Wohnen: Selbstständigkeit durch Zuzahlungszwang? Die kürzlich auf einer Tagung in Fulda vorgestellten Ergebnisse einer Studie zeigen unter anderem, dass einige Menschen mit Behinderungen von einem Ausscheiden aus der Betreuung profitierten. Der Abmeldung vorangegangen war die Ankündigung, sie für die Kosten der Betreuungsleistungen künftig selbst heranzuziehen. derten Menschen waren es 10,3 Prozent, die zu den vom LWV geforderten Zuzahlungen nicht bereit waren, doppelt so viele (20,7 Prozent) meldeten sich in der Gruppe der Menschen mit seelischer Behinderung ab. Etwas niedriger (zwischen 5 und knapp 7 Prozent) lag die jeweilige Quote bei den übrigen Betreutengruppen: Menschen mit geistiger Behinderung, Aids- und Suchtkranke. Fragen der Wissenschaftler W Erforschte die Effekte einer Abmeldung vom betreuten Wohnen: Prof. Reinhard Peukert as war passiert? Der Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) hatte im Jahr 2005 all jenen behinderten Klienten einen Brief geschrieben, die das Angebot des betreuten Wohnens in Anspruch nahmen. Genauer müsste es „betreutes Einzelwohnen“ heißen: Jemand wohnt in seiner eigenen Wohnung und erhält dort regelmäßig Hilfe von einer Fachkraft. Die Wohnung wird von einem Träger angemietet, aber der Betreute ist trotzdem der primäre Mieter. Doch zurück zum Brief. Den Adressaten wurde darin mitgeteilt, dass diese ab jetzt mit ihrem Einkommen und Vermögen für die Kosten der Betreuung herangezogen werden. Als Financier des betreuten Wohnens ging der LWV also sozusagen„ans Eingemachte“ seiner Leistungsempfänger, wie das unser„Sozialstaat“ auch erst mal macht, wenn jemand Hartz IV beantragt. Beim LWV handelt es sich um einen Zusammenschluss der hessischen Landkreise und kreisfreien Städte. Die Einrichtung mit Sitz in Kassel ist überörtlicher Träger der Sozialhilfe und unter anderem zuständig für die Unterstützung und Förderung von behinderten und kranken Menschen in sozialer und materieller Not. Und auch beim betreuten Wohnen geht es ja um Sozialhilfe, da die Behindertenhilfe gesetzlich in der Sozialhilfe angesiedelt ist. In den meisten anderen Bundesländern werden die Angebote für Behinderte ähnlich organisiert wie in Hessen. Als Konsequenz des besagten „blauen Briefs“ der LWV kam es zu Abmeldungen seitens der betreuten Klienten. In der Gruppe der körperlich behin- 58 PARAPLEGIKER 2/10 Sechs Monate später nahmen Wissenschaftler und Studierende der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden und der Hochschule Fulda (die einen gemeinsamen Masterstudiengang „Gemeindepsychiatrie“ anbieten) den Vorgang genauer unter die Lupe: Sie wollten wissen, welche Effekte sich aus den Abmeldungen für die bisherigen Nutzer (und die Träger) des betreuten Wohnens ergeben haben. Das Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Reinhard Peukert, Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain, startete eine Fragebogenerhebung bei allen Betroffenen, von denen sich letztlich 20 Prozent (144 Abmelder) rückmeldeten – unter den gegebenen Bedingungen ist das relativ viel. Zwei Jahre später, 2008, wurde bei den Befragten noch einmal „nachgehakt“, und gegenwärtig läuft gerade die dritte Nachfrage. Für Prof. Reinhard Peukert war das „endlich mal eine naturalistische Studie“, denn als Experiment ist eine solche Untersuchung ja nicht möglich, bei der man herausfinden will, was bei Menschen eigentlich vorgeht, die heute noch eine Betreuung haben (von deren Notwendigkeit sie und auch ihre Betreuer fest überzeugt sind) und morgen auf einmal „draußen“ sind. Als Ergebnis der Interviews zeigte die Studie – Auftraggeber war der LWV, auch die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG)-Wohnen Hessen war an der Finanzierung beteiligt – unter den Abmeldern vom betreuten Wohnen „Gewinner“ und „Verlierer“: Es mag überraschen, aber für 20 Prozent der Befragten bericht war die angekündigte Heranziehung für die Kosten mit der Folge der Abmeldung gewissermaßen ein „Glücksfall“. Sie äußerten deutlich, dass es für sie an der Zeit gewesen sei, sich abzumelden, denn es ging ihnen nach der Abmeldung besser als vorher. So hatte ihnen der Brief des LWV sozusagen einen „Schubs“ gegeben, wie Studienleiter Reinhard Peukert es formulierte, der notwendig war, denn von sich aus hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Anstalten zum Beenden des betreuten Wohnens gemacht. Bisher hatten sie ja geglaubt, die Betreuung zu brauchen. tisch niedriger sind als für Hartz IV-Empfänger. In der Bund-Länder-Kommission bemüht man sich, so der Wissenschaftler, gegenwärtig darum, eine einkommensunabhängige Leistungserbringung in der Behindertenhilfe zu schaffen. Eine der Folgerungen aus den Ergebnissen der Studie: Das betreute Wohnen muss von allen Beteiligten als zeitlich begrenzte Hilfe verstanden werden, deren Beendigung deutlich zu markieren ist. Gegebenenfalls noch erforderliche Hilfen sollten als unspezifische und leicht zugängliche Assistenz angeboten werden. Situation teilweise noch verschlechtert Auf der anderen Seite standen die „Verlierer“: Als solche sahen sich etwa ein Drittel der Befragten, für die sich die Abmeldung keineswegs positiv auswirkte, sondern ihre Situation noch verschlechterte. Es handelte sich dabei um diejenigen, die sich ausschließlich aus finanziellen Gründen abgemeldet haben. Hier war die Androhung, für die Kosten herangezogen zu werden, der ausschlaggebende Punkt, wie Peukert erläuterte. Zu den Abmeldern zählten im Übrigen auch Menschen, die gar nicht herangezogen worden wären. Ein weiteres interessantes Ergebnis: Sechs der so genannten Verlierer zählen sich im Abstand von zwei Jahren zu den Gewinnern und sind heute stolz über die gewonnene Selbstständigkeit. Hier hat sich die positive Entwicklung aufgrund des Ausscheidens aus dem betreuten Wohnen erst später eingestellt. Ist aber nicht gerade bei behinderten Menschen eine generelle Sorge vorhanden, ein angespartes Vermögen zu verlieren – weil dies eine Art Versicherung für mögliche Notzeiten darstellt? So lauteten auch genau die Aussagen von Befragten, bestätigte Peukert. Einige von ihnen äußerten in den Interviews, über ein kleines Vermögen zu verfügen, das sie sich eigentlich als Alterssicherung auf die Seite gelegt hätten, und deshalb wurde die Heranziehung zu den Kosten des betreuten Wohnens offensichtlich als eine relativ massive Bedrohung empfunden. Der LWV handelte, wie schon gesagt, nach Gesetzeslage, und eben diese ist in diesem Fall nicht stimmig: Peukert bezeichnete es als einen „sozialrechtlichen Fehler“, dass die Behindertenhilfe wie Sozialhilfe gehandhabt wird. Ein besonderes Problem besteht auch darin, dass die Grenzen der Freibeträge für die Leistungsempfänger im betreuten Wohnen dras- Was aus der Studie nicht direkt hervorgeht: Nachdem die Zuzahlung eingeführt wurde, sind viele Betroffene – Peukert spricht von 20 Prozent –, die eigentlich sinnvollerweise das betreute Wohnen in Anspruch nehmen würden, nicht mehr bereit, das zu tun. Es besteht ein Bedarf, der unter den gegebenen Bedingungen nicht befriedigt wird. Text: Arndt Krödel Foto: privat Anzeige markt Neuer Hebelantrieb für Aktivrollstühle Grundsätzlich hat der Antrieb eines Rollstuhles über den Greifreifen seine Grenzen. Der Antriebsradius und damit der erreichbare Vortrieb ist abhängig von der Armlänge und den Möglichkeiten sich nach vorne zu beugen. NuDrive ist dagegen ein unkonventioneller Hebelantrieb für manuelle Rollstühle, der nach sechs Jahren intensiver Forschung und Entwicklung seit Januar auf dem deutschen Markt ist. Das System besteht aus je einem Radadapter und einer Antriebseinheit pro Rad. Die Montage ist sehr einfach. Der NuDrive wird an den vorhandenen Rollstuhl adaptiert. Er ist für alle gängigen 24“ Räder einsetzbar. Mittels der Schnapp-Verriegelung lässt sich der Rad-Adapter in Sekunden- schnelle befestigen, ohne dass dabei die Radbefestigung verändert werden muss. Mit dem NuDrive kann man auf einfache Art manövrieren und bremsen. Es ist ein interessantes System für Menschen, die nicht mehr die volle Kraft für einen Aktivrollstuhl haben, aber noch keinen Elektroantrieb nutzen wollen. Klinische Untersuchungen haben ergeben, daß der Hebelantrieb die Inanspruchnahme der Schultern steigert und somit Degenerationserscheinungen vorbeugt und die Verletzungsgefahr vermindert. Durch den Hebelantrieb wird eine Verbesserung der Körperhaltung und ein verstärktes Training der Schultern erreicht. Auch das Karpaltunnelsyndrom, eine Schädigung des Nervs in der Handwurzel, die gerade bei Nutzern von Aktivrollstühlen häufig auftritt, kann deutlich reduziert werden. Durch die Hebelwirkung wird eine Reduzierung des für den Antrieb erforderlichen Kraftaufwandes um bis zu 40 % erreicht. Er kann sowohl im Innenbereich als auch im Freien eingesetzt werden. Besonders bergauf ist der NuDrive eine große Hilfe für den Nutzer. Der Hersteller gibt drei Jahre Garantie. Vertrieb durch die TRV GmbH Karlsruhe. Gesunde Haut – wichtig bei MS Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Entsprechend wichtig ist es, dass sie gesund ist. Doch das ist leichter gesagt als getan für Menschen, die sich regelmäßig Medikamente injizieren, um den Erkrankungsverlauf positiv zu beeinflussen – wie zum Beispiel Patienten, die an Multipler Sklerose erkrankt sind. Die chronische Erkrankung Multiple Sklerose verlangt nach einer dauerhaften Therapie. Üblicherweise werden hier die so genannten Basistherapeutika verschrieben: Interferon beta-Präparate oder Glatirameracetat. Diese Medikamente werden bei den meisten MS-Patienten für die Langzeittherapie gewählt, da ihre Wirksamkeit und Sicherheit belegt sind. Sie können die Häufigkeit von Krankheitsschüben reduzieren und so das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Sie werden entweder unter die Haut oder direkt in den Muskel gespritzt. Weiterhin variiert die Häufigkeit der Anwendung von 1 x wöchentlich bis hin zu 7 x wöchentlich. Welches Medikament das richtige ist, entscheidet der Arzt gemeinsam mit dem Patienten. Eine mögliche Nebenwirkung der regelmäßigen Injektion sind Hautreaktionen wie Rötungen, Schwellungen oder Entzündungen. Diese können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wenn Hautreaktionen auftreten, sollte der behandelnde Arzt hinzugezogen werden. Wichtig ist in jedem Fall eine konsequent durchgeführte Therapie. Was in der Theorie einfach klingt, fällt vielen Patienten in der Praxis schwer. Aus diesem Grund wurde das Patientenprogramm AVOSTART-1a entwickelt. Es bietet z.B. die persönliche Betreuung und Schulungen in der Selbstinjektion durch MS-Schwestern. Dazu eine Reihe von Informationsbroschüren und eine kostenfreie Servicenummer. Hier werden alle Fragen rund um die MS beantwortet. Ganz neu steht nun die Broschüre „Hau(p)tsache gesund – die Hautfibel für MS-Patienten“ zur Verfügung, in der alle Fragen rund um das Thema Haut beantwortet werden. Weitere Infos unter www.ms-life.de oder kostenfrei unter 0800 – 37 37 000. Schwenklift hilft beim Baden „Wie komme ich in die Wanne? Und vor allem wieder heraus?“ Diese Durch den Schwenklift UNO von TRUSS Innova Trading kann hier Fragen führen oft dazu, dass behinderte Menschen auf ein Wannen- häufig Abhilfe geschaffen werden. Er wird neben der Wanne mon- bad völlig verzichten müssen, oder aber auf Hilfspersonen ange- tiert und fest in den Boden verankert. Bereits neben der Wanne wird wiesen sind. Beim Heben und Senken innerhalb der Wanne hilft ein auf den stabilen Sitz aus Alu-Guss umgesetzt. Hilfreich hierbei sind Badewannenlift. Ein Problem jedoch bleibt – wie überwinde ich den die hochklappbaren Armlehnen. Der Sitz lässt sich soweit absenken, Wannenrand? dass ein bequemes Umsetzen ermöglicht wird. Nach dem Umsetzen 60 PARAPLEGIKER 2/10 Anzeige und Sichern wird der Sitz durch Betätigen eines Hebels am Schwenkarm mittels Wasserdruck so hoch gehoben, dass die Füße über den Wannenrand ragen. In die Wanne einschwenken kann man dann völlig selbstständig mittels eines ratschenähnlichen Antriebes am Bedienarm. Mode, die im Sitzen sitzt. Nach dem Einschwenken über die Badewanne wird der Sitz nach unten in die Wanne gesenkt. Bis etwa 2 cm über den Wannenboden senkt sich der Schwenklift ab. Nach dem Bad geht es dann in der gleichen Weise wieder hinaus. Bequem wird sich auf dem Sitz des Liftes abgetrocknet und dann trocken und sicher umgesetzt. Auch andere Personen können ohne Einbußen baden, der Sitz wird dann einfach außerhalb der Wanne abgesenkt und geparkt. Ein weiteres Modell der Schwenklift – Familie, der DUO, wurde übrigens für die Nutzung mit einer Hilfsperson konzipiert. Der Schwenklift wird bei der Firma TRUSS Innova Trading in Kassel als langlebiges Kleinserienprodukt aus Edelstahl und Aluminium hergestellt. Die Lifte werden mit dem Wasserdruck des Hauswasseranschlusses betrieben. Lediglich ein 6Volt-Akku zur Steuerung des Liftes wird benötigt. Der Schwenklift trägt die CEKennzeichnung und ist TÜV-geprüft. Infos unter tel 05 61-807 55 55, www.schwenklift.net oder eMail: info@schwenklift.net. 10. cSc capp Sport cup Den über 600 Teilnehmern des 10. cSc (capp Sport cup) „gemeinsam rollt’s“ werden exzellente Bedingungen rund um den Freizeitpark Langenfeld geboten. Ob mit oder ohne Handikap, aus der gesamten Bundesrepublik und dem angrenzenden Ausland, hier ist jeder/jede herzlich willkommen. Das Startgeld beträgt für Teilnehmer bis 17 Jahre 5 €, ab 18 Jahre 10 €, wenn die Anmeldung bis zum 29. August 24 Uhr online erfolgt und der Betrag bis zum 30. August 12 Uhr auf dem Konto der Weik-Stiftung eingegangen ist. (Speedskater zahlen 14 €.) Wer sich erst am Starttag anmeldet, zahlt doppelt so viel. Im Startgeld sind übrigens Bons über 5 € für Essen und Trinken und ein Präsent (T-Shirt oder Badetuch) enthalten. Meldungen und weitere Informationen sind im Internet unter www.gemeinsamcsc.de möglich. Dort sind auch die Bankdaten aufgeführt. Bernhard Weik, Stifter der E & B WeikStiftung, Organisator und Veranstalter, gibt zu allen Fragen gerne Auskunft über tel 0 21 73-270 233 oder eMail: b.weik@gemeinsam-csc.de. Wie jedes Jahr wird wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm vorbereitet, und die internationale cSc-Schlemmermeile bietet viele Köstlichkeiten, um Hunger und Durst zu stillen. YYYTQNNKOQFGPFG Manfred Sauer GmbH Geschäftsbereich Rolli-Moden Neurott 20 74931 Lobbach-Waldwimmersbach Tel: 06226 960 200 Fax: 06226 960 050 service@rollimoden.de kleinanzeigen Chrysler Grand Voyager Rollstuhl-Hilfsantrieb 116 kw, ca. 122 000 km, 11/96, 1. Hd, Scheckheft, PARAVAN Umbau, geeignet f. Tetraplegiker. Leder, Sitzheizungen, Klima, Standheizung, Servolenkung 8 n, el. Schiebetür u. Rampe, Handbedienung f. Gas u. Bremse, Rollstuhlhaltesystem f. Fahrer- u. Beifahrersitz, hintere Sitzbank flachstellbar, Fahrer- u. Beifahrersitz in Original. Mängel: Korrosion an Fahrzeugboden. Montage u. Einstellung v. Kopfstütze. Lackschäden. TÜV bis 11/09, auf Wunsch neu, VB 5 500 €. 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Hier stellt sich natürlich ebenso wie beim Umzug die Frage, welche Kosten auf die Behinderung zurückzuführen sind und welche Kosten einen effektiven Mehrwert darstellen. Stets behinderungsbedingt und daher regelmäßig übernommen werden die Kosten von Aufzügen. Insoweit sollte, falls möglich, der Aufzug immer an das Haus angebaut werden, Treppenlifte o.ä. sind anderen Familienmitgliedern oft im Weg und nehmen unnötig Platz weg, oft zerstören sie auch den Charme eines Hauses. Zusammen mit dem Anbau des Liftes sollte auch an einen generellen Anbau gedacht werden, da Rollstuhlfahrer normalerweise einen Therapieraum benötigen. Ein Therapieraum erklärt sich von selbst, irgendwo muss die Krankengymnastik und Physiotherapie auch stattfinden, irgendwo müssen Motomed, Stehtrainer und die verschiedenen Rollstühle auch gelagert werden. stellt, schnell und unkompliziert ins Grüne zu kommen. Großes Augenmerk sollte auch darauf gelegt werden, dass ein überdachter Stellplatz, am besten eine Garage, zur Verfügung steht, die vom Haus aus direkt oder auf überdachten Wegen – wichtig v.a. bei Eis und Schnee – zu erreichen ist. Anzeige Der neue Rollstuhlantrieb ... Für den Fall, dass Pflegepersonen im Haushalt untergebracht werden sollen, brauchen diese einen eigenen Rückzugsbereich mit Wasch- und Kochgelegenheit, dieser kann im Anbau untergebracht werden. • Auch für ein eigenes Bad gibt es gute Argumente, die ein Gericht überzeugen: Bekanntermaßen verbringen viele Rollstuhlfahrer viel mehr Zeit im Bad als Fußgänger, allein schon wegen der verschiedenen zeitaufwändigen Methoden des Abführens. Nichts kann in einer Familie zu mehr Reibereien führen als ein andauernd belegtes Bad. Das Bad selbst ohne Duschwanne ist auch von Fußgängern nicht so gut benutzbar und benötigt nach Benutzung auch mehr Reinigungsaufwand als ein normales Bad. Natürlich sind auch die Außenanlagen rollstuhlgerecht umzubauen, auch der Garten soll wieder für den Betroffenen voll nutzbar sein, umso mehr als der Garten oft die einzige einfache Möglichkeit dar- • • • • • • Reduzierung des für den Antrieb erforderlichen Kraftaufwandes um bis zu 40% Schonung der Hände und der Handgelenke; bessere Hygiene Verbesserung der Körperhaltung Verstärktes Training der Schultern Einfache Montage an nahezu alle Rollstühle mit 24“ Speichenrädern Die leichte Antriebseinheit (1,5 kg) und die Radadapter (1,1 kg) sind einfach zu transportieren Hervorragend für innerhalb des Hauses wie für draußen, für einfache wie für schwierige Wegbedingungen geeignet HMV Nr. 18.99.99.0603 Gartenstraße 10 76133 Karlsruhe Tel. 0721 38 45 60 Fax 0721 38 45 610 E-Mail: info@t-rv.de www.t-rv.de Videos über Funktionalität, Montage und Erfahrungsberichte des «nudrive» im Internet: www.youtube.de Suchbegriff: nudrive recht Diese Punkte werden alle regelmäßig unproblematisch von Haftpflichtversicherungen übernommen, sofern eine ordentliche Planung (inklusive Ausschreibung) stattfindet – hier sollte auf jeden Fall ein Architekturbüro für behindertengerechtes Bauen eingesetzt werden – und die Qualität der Umbaumaßnahmen sich am Lebensstandard des Betroffenen vor Unfall orientiert. D.h., dass nur wer vorher in einem Schloss gewohnt hat, einen fürstlichen Umbau bekommt, ein eher armer Geschädigter wird sich indes mit einem einfacheren funktionalen Umbau begnügen müssen. Auch das oft gebrachte Argument, dass teilweise Dinge einfach neu zu machen seien, wenn sich beim Teilentkernen herausstellt, dass irgendwo die Mauersubstanz oder der Dachstuhl nicht mehr gängigen Standards entspricht und so ein Renovierungsmehrwert entstünde, greift nicht, da es sich ja (wenn denn überhaupt) um eine aufgedrängte Bereicherung handelt, also eine Aufwendung ,die der Betroffene den normalen Verlauf der Dinge betrachtet überhaupt nicht getätigt hätte. Anspruch auf Privatsphäre Nicht vergessen sollte man auch, dass die behindertengerechten Umbauten – hier vor allem der Aufzug – Strom verbrauchen und Wartungskosten verursachen und dass der Anbau auch zu heizen ist. All dies sind Positionen, die regelmäßig anfallen und vom Haftpflichtversicherer in Rentenform oder Kapitalabfindung zu ersetzen sind. Problematisiert werden allerdings meistens die folgenden Punkte. Insbesondere bei schwerstbehinderten Tetraplegikern, die jedenfalls rund um die Uhr eine Pflegeperson im Haus haben, wird oft argumentiert, dass aufwändige Umweltsteuerungssysteme und eine behindertengerechte Küche nicht benötigt werden, da Dinge wie Kochen und Mobilität jedenfalls regelmäßig von Dritten übernommen werden. Hier ist darauf zu verweisen, dass auch noch ein Rest Privatsphäre vorhanden sein sollte und es insbesondere aus psychischen und rehabilitativen Gesichtspunkten heraus sinnvoll ist, wenn sich der Betroffene jedenfalls im Einzelfall selbst helfen kann. Oft wenden Versicherer auch ein, dass das Haus durch die Umbauten ja einen Mehrwert bekommen würde, der vom Betroffenen selbst zu tragen sei. Den Mehrwert bei behindertengerechten Umbauten kann ich nicht erkennen. Oft ist ein barrierefreies Haus mit Aufzug und entsprechendem Bad nicht marktüblich zu verkaufen, weil einfach keine Interessenten da sind. Anzeige Wartungskosten Ebenso muss auch klar sein, dass Menschen, die im Kindesalter verunfallen, einen Anspruch auf einen weiteren Umbau bei Volljährigkeit haben, nämlich dann, wenn sie nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge das elterliche Haus verlassen hätten. Anmerkung zum Autor: Der Rechtanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Oliver Negele, Mitarbeiter der AG-Recht der FGQ, bearbeitet derzeit ca. 30 Fälle aus dem Bereich Großpersonenschaden im Jahr. Kontakt: RA Oliver Negele Bgm.-Fischer-Str. 12 86150 Augsburg tel 08 21-32 79 88 10 eMail: kontakt@arge-recht.de Werden Sie Mitglied! Ich spende meinen Jahres- Mitgliedsbeitrag in Höhe Arbeitsgemeinschaften (AG) Ambulante Dienste Milan Kadlec Bornberg 94 42109 Wuppertal tel 02 02-45-02 71, Fax: -39 42 eMail: info@isb-ggmbh.de von (mindestens 30 Euro) Querschnittgelähmte 15 Euro, Euro je Familienmitglied 15 Euro Ich zahle per: Abbuchung Rechnung Buchen Sie von folgendem Konto ab: Bank Bauen & Umwelt Dipl. Ing. Dirk Michalski Im Hohnsiefen 1 53819 Neunkirchen-Seelscheid tel 0 22 47-60 70 eMail: DirkMichalski@t-online.de Internet: www.DirkMichalski.de Frank Opper, Architekt Auf der Wiese 20 41564 Kaarst tel 0 21 31-51 17 09 eMail: frank@opper-architekten.de FGQ-Rechtsbeistand im Sozialrecht Herbert Müller Freiherr-vom-Stein-Straße 47 56566 Neuwied-Engers tel 0 26 22-88 96-32; Fax -36 eMail: h.mueller@engers.de Öffentlichkeitsarbeit Peter Mand Felbelstraße 15 47799 Krefeld tel 0 21 51-62 17 000 eMail: peter.mand@t-online.de Bankleitzahl Konto-Nr. Datum Unterschrift Ich kann diese Anmeldung innerhalb von 10 Tagen bei der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim schriftlich widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Datum Unterschrift Bitte ausschneiden und in einem ausreichend frankierten Umschlag senden an: Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. Silcherstraße 15 67591 Mölsheim PARAPLEGIKER – Zeitschrift für Menschen mit Körperbehinderung Recht / Schadensersatzrecht Gottfried Weller Oliver Negele Dr. Loeffelladstr. 127 86609 Donauwörth tel 09 06-83 34; Fax: 99 99 715 eMail: gottfriedweller@arcor.de Das offizielle Nachrichtenmagazin der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten erscheint jetzt im vereinseigenen HUMANIS Verlag. Menschen mit Körperbehinderung haben viele gemeinsame Interessen, deshalb sollte der Blick auch über den Zaun der eigenen Betroffenheit hinausgehen. Der „Para“ bietet einen Mix aus Information, Kultur, Politik und Unterhaltung. Schmerz bei Querschnittlähmung Neue Ansprechpartner gesucht! Anfragen bitte an eMail: FGQ-Moelsheim@t-online.de Hilfsmittel Pflege Urlaub Auto Schule & Studium Karen Fischer Auf der Kuhweide 1 44269 Dortmund tel 02 31-75 97 55 Urlaub Johann Kreiter Laubeweg 1 70565 Stuttgart tel 07 11 - 7 15 64 90 eMail: jnkreiter@aol.com Rückseite beachten! Ständige Themen Rollstuhl & Co – Test the Best Organisation, Finanzierung und Hilfsmittel el In Nah und Fern Solange es rollt – Vom kleinen Flitzer Diesen Abschnitt bitte ausfüllen, bis zum großen Van ausschneiden, in einen ausTipps vom Anwalt reichend frankierten Umschlag Portraits, Sport und Spiel, Beruf geben und einsenden an: Recht Menschen Planen und Bauen Barrierefrei und alltagstauglich Zu unserem Programm gehören auch »B-kids« für behinderte junge Menschen »K« - Journal Mensch und Krebs »FGQ-Info« Informationsbroschüren der Fördergemeinschaft für Querschnittgelähmte in Deutschland. Bei Interesse fordern Sie bitte ein Probeheft an oder informieren sich telefonisch beim Verlag. Bestellcoupon rückseitig Humanis Verlag für Gesundheit GmbH Silcher Straße 15 67591 Mölsheim oder faxen an: 0 62 43 - 90 35 69 Abotelefon: 0 62 43 - 90 07 04 Werden Sie Mitglied! JA! Ich möchte Mitglied im Freundeskreis der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. werden. Ich erhalte 1/4 jährlich eine Informationsschrift, die mich unter anderem auch über alle laufenden Aktivitäten der Fördergemeinschaft informiert. Falls ich durch einen Unfall eine Querschnittlähmung erleide, erhalte ich als Soforthilfe 50.000 € mit entsprechender Abstufung bei Teilinvalidität. I M P R E S S U M PARAPLEGIKER – Zeitschrift für Menschen mit Körperbehinderung HUMANIS Verlag GmbH Silcherstraße 15 · D-67591 Mölsheim Telefon: 0 62 43-900 704 Telefax: 0 62 43-903 569 info@humanis-verlag.de www.humanis-verlag.de ISSN 0723-5070 Name, Vorname HERAUSGEBER Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. Eingetragen ins Vereinsregister Mannheim Nr. 11844 Geb.-Datum Straße GESCHÄFTSFÜHRER Roger Kniel PLZ / Wohnort Folgende Familienangehörige melde ich für 15 Euro an: MARKETINGLEITUNG Gisela Werner Name, Vorname Straße / Wohnort ANZEIGENBETREUUNG POINT63 Media- und Verlagsservice Andreas Stoßberg Telefon: 02 12-2 33 52 65 Telefax: 02 12-2 33 52 66 a.stossberg@arcor.de ja ABOBETREUUNG Probeheft Telefon: 0 62 43-900 704 Straße / Wohnort Geb.-Datum Name, Vorname 94 Geb.-Datum Ich bin querschnittgelähmt nein REDAKTIONSLEITUNG (v.i.S.d.P.) Peter Mand Andere Behinderung: Spendenkonto 0 179 200, Deutsche Bank Ludwigshafen, BLZ 545 700 94 PARAPLEGIKER PARAPLEGIKER PARAPLEGIKER Rückseite beachten MITARBEIT AN DIESER AUSGABE Ralf Kirchhoff, Barbara Früchtel, Ulrike Talmann, Ruth Auschra, Hermann Sonderhüsken, Heike Stüvel, Herbert Müller, Dr. med. Volker Mall, Dr. med. J. Kutzenberger, Raimund Artinger, Reinhard Wylegalla, Arndt Krödel, RA Oliver Negele. Ja! LAYOUT Eickhoff – Grafik & Design - Speyer Telefon: 0 62 32-62 93 20 Vorname: DRUCK NINO Druck GmbH Im Altenschemel 21 67435 Neustadt/Weinstraße Ich möchte »PARAPLEGIKER«, die Zeitschrift für Menschen mit Körperbehinderung abonnieren, 4 Ausgaben jährlich für 15 € (Ausland 20 €) inkl. Porto & Versand. Name: ERSCHEINUNGSWEISE vierteljährlich Straße / Hausnummer: PLZ / Ort: Ihr Rücktrittsrecht: Diese Bestellung kann innerhalb von 8 Tagen (Poststempel) schriftlich widerufen werden. Diesen Hinweis habe ich zur Kenntnis genommen und bestätige dies durch meine 2. Unterschrift. Unterschrift. ANZEIGENSCHLUSS 3 Wochen vor Erscheinen. Anzeigen erscheinen unter Verantwortung der Auftraggeber. Es gelten die Mediadaten Nr.9 ab 1. Dezember 2008 BEZUGSBEDINGUNGEN Inland 15 EURO jährlich, Ausland 20 EURO jährlich, Einzelheft: Deutschland 4 EURO (jeweils inkl. Versand und Mwst.); Ausland 4 EURO (+Versandkosten). Das Abonnement wird im voraus in Rechnung gestellt, Bezugszeitraum ist das Kalenderjahr. Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht mindestens 8 Wochen vor Ablauf beim Verlag schriftlich gekündigt wurde. Gewünschte Zahlungsweise (bitte ankreuzen) bargeldlos durch Bankeinzug Konto-Nr.: Der gesamte Inhalt der Zeitschrift ist urheberrechtlich geschützt, jede unzulässige Verwertung ohne Einwilligung des Verlages wird verfolgt. Die Autoren erklären sich mit der redaktionellen Bearbeitung ihrer Beiträge einverstanden. Haftung für zugesandte Texte oder Bilder wird ausgeschlossen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stimmen nicht zwangsläufig mit Meinung des Verlages und der Redaktion überein. BLZ: Name und Sitz der Bank: gegen Rechnung (bitte Rechnung abwarten) Unterschrift Beantworten Sie bitte noch diese zwei Fragen bevor Sie die Abo-Karte ausgefüllt an uns senden: Wo94 haben Sie den »Paraplegiker« kennengelernt? Welche Ausgabe des »Paraplegiker« liegt Ihnen vor? Rückseite beachten